Benutzer: Felix Böhm/Werkstatt: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Multimodalität]]
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=Korrigierte Version (17.05.2021)=
  
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== Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel ==
  
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In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. [[Dokumentarfilme_über_den_Klimawandel|Während dieser Artikel]] bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der '''Emotionalisierung'''  betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen; eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie [[Um die Welt mit Zac Efron|„Um die Welt mit Zac Efron“]] (2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm [[David- Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten|„David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten“]] (2020).
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Beide Filme stellen, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.
  
=Multimodalität=
 
  
Der vorliegende Beitrag stellt dar, inwiefern sich eine multimodale Perspektivierung von Kommunikaten von der traditionellen Perspektive der Sprachwissenschaft unterscheidet und inwieweit '''Multimodalität''' eine Ausweitung des analytischen Blickes darstellt.
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=== Aber was ist Emotionalisierung? ===
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Emotionen sind laut Meyer et al. (2016) aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können.<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016|Seite=54ff}}</ref> Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt.
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Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016| Seite=55}}</ref> Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.
  
==Die sprachwissenschaftliche Perspektive==
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Laut dem Duden<ref>vhl. {{Quellen-Literatur|Titel=emotionalisieren|Website=Duden Wörterbuch |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> und dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Titel= emotionalisieren|Website=Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften |Online=https://www.dwds.de/wb/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> beschreibt der bildungs-/fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden.
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Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Titel=Was ist ein Dokumentarfilm? |Website=WDR |Online=https://www1.wdr.de/kultur/film/dokmal/die-filmischen-mittel/filmische-mittel-doku-dinger-einfuehrung-100.html |Abruf=26.04.2021 }}</ref> Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen,<ref>vgl. {{Quellen-Film|Produzent*in=J. Algar, W. Hibler |Titel=The Living Desert |Jahr=erstmals 1953 |Produktionsland=USA |Produktionsfirma=Disney}}</ref> sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm.<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm|Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=183–202 }}</ref>.
  
Sprachwissenschaft (auch: Linguistik) kann definiert werden als die „wissenschaftliche Untersuchung menschlicher Sprache, ihrer Struktur, ihrer Geschichte, ihres Erwerbs und ihres Gebrauchs in der Kommunikation.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=TU Braunschweig |Titel=Was ist Linguistik? |Jahr= |Website= |Online=https://www.tu-braunschweig.de/anglistik/seminar/linguistik/linguistics |Abruf=12.03.2021 }}</ref> In der linguistischen Fachtradition stellt schriftliche oder mündliche Sprache als Abstraktum den primären und zentralen Erkenntnisgegenstand dar. Dies Fachtradition stößt allerdings dann an ihre Grenzen, wenn in den analysierten Kommunikaten (schriftlichen Texte, Aufnahmen mündlicher Sprache, Videoaufnahmen) auch nicht-sprachliche Zeichen zur Bedeutungskonstitution beitragen.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Fix, Ulla |Titel=Zugänge zu Stil als semiotisch komplexer Einheit. Thesen, Erläuterungen und Beispiele |Herausgeber*in=Jakobs, Eva-Maria; Rothkegel, Annely |Sammelband=Perspektiven auf Stil |Ort=Tübingen |Verlag=Niemeyer |Jahr=2001 |Seite=113–126, hier: S. 114 }}</ref> Die daraus resultierende Perspektiverweiterung ist vor allem auf zwei zentrale Veränderung in Kommunikation und Forschung zurückzuführen, nämlich einerseits, dass aufgrund von medialem Wandel, technischen Innovationen – insbesondere der Digitalisierung – sowie von Veränderungen in den Bereichen Gestaltung und Design Kommunikate unter zeichentheoretischen Gesichtspunkten komplexer und vielschichtiger geworden sind. Andererseits folgt sie daraus, dass auch die Sprachwissenschaft von technischer Innovation profitiert und heute leichter und kostengünstiger als noch vor wenigen Jahrzehnten Bilder, Audio- und Videoaufnahmen erfassen und analysieren kann.
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=== Modalitäten der Emotionalisierung ===
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Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“  der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel.<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus |Titel=Studienhandbuch Filmanalyse |Ort=Paderborn |Verlag=Wilhelm Fink |Jahr=2016 |Seite=164 }}</ref>
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Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten).<ref>vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=H.Schäfer |Titel=Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik |Zeitschrift=Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik|Nummer=3 |Jahr=2014 |Seite=102 |Online= http://medienwelten.mp.ew.tu-dresden.de/|Abruf=23.03.2021 }}</ref>
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Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden.
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Anhand ausgewählter Stills, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert- siehe dazu die verlinkten PDF-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.
  
==Multimodalität als Perspektiverweiterung==
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=== 1. Mit Zac um die Welt: „Brotback-Szene“ (07:33–10:33 min.) ===  
[[Datei:Aufkleber Climate Justice is Racial Justice.png|mini|Aufkleber an Laterne, fotografiert am 13.03.2021 in der Innenstadt von Göttingen]]
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In der „Brotback-Szene“ zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als „ihren neuen Freund Sigi“ bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.
Multimodalität (hier: im weiteren Sinne) hat sich – terminologisch durchaus verwirrend – als Überbegriff für Multikodalität und Multimodalität (hier: im engeren Sinne) etabliert. Deshalb werden im Folgenden zwar Multikodalität und Multimodalität (im engeren Sinne) getrennt voneinander vorgestellt, im gesamten Living Handbook wird aber, soweit es nicht explizit erforderlich ist, verallgemeinernd und vereinfachend nur „Multimodalität“/“multimodal“ verwendet.
 
  
===Multikodalität===
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In der [https://felixwoitkowski.files.wordpress.com/2021/05/lhct_analyse1_knobel.pdf hier verlinkten Analysedatei] ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die
Als multikodal werden solche Kommunikate bezeichnet, in denen Bedeutung durch mehr als einen Zeichentyp (Kode) konstituiert ist. Dies ist augenscheinlich dann der Fall, wenn z.B. in [[Pressetexten]] neben Buchstaben ein Bild abgedruckt ist oder wenn eine Sprecherin ihre Stimmlage variiert. In diesen Beispielen erschöpft sich allerdings nicht die Vielzahl der möglichen Zeichentypen. In einer Powerpoint-gestützten Präsentation, um nur ein Beispiel zu nennen, können neben Zeichen der gesprochenen und der geschrieben Sprache „mindestens auch der gattungsspezifische Einsatz von Layout, Bildern, Diagrammen und andere grafische Darstellungen, Proxemik, Gestik, Mimik, Prosodie, Lautstärke, Animation, Film, Tonaufnahmen und Musik“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Böhm, Felix |Titel=Präsentieren als Prozess. Multimodale Kohärenz in softwaregestützten Schülerpräsentationen der Oberstufe |Ort=Tübingen |Verlag=Stauffenburg |Jahr=2021  |Seite=91 }}</ref> für die Bedeutung und die Analyse der Präsentation relevant sein. „Ein Teil davon, etwa die gesprochene Sprache, stellt ein definitorisches Element der Präsentation dar, ein anderer Teil nur ein fakultatives.“<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Böhm, Felix |Titel=Präsentieren als Prozess. Multimodale Kohärenz in softwaregestützten Schülerpräsentationen der Oberstufe |Ort=Tübingen |Verlag=Stauffenburg |Jahr=2021  |Seite=91 }}</ref> Deshalb und aufgrund der prinzipiellen Vielzahl an möglichen Zeichentypen ist es im Rahmen sprachwissenschaftlicher multimodaler Analysen immer entscheidend, die relevanten Zeichentypen zu identifizieren.  
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Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.
  
In einer multimodalen Analyse des Aufklebers (rechts) als politisches Kommunikat ließe sich z.B. fragen, ob und inwiefern die verschiedenen Farben, die Schriftart, die Varianz der Schriftgröße, die Platzierung der Wörter auf der Fläche und die Verbindung von Schrift und Bild die politische Aussage „Climate Justice is Racial Justice“ unterstützen, ergänzen oder stören.
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Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren.
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Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: „großartig, toll, wunderbar, wundervoll“.
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Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht.
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In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf den emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich; zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen, ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.
  
===Multimodalität===
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Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit.
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Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem [[Infotainment]] (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.
  
Als multimodal (im engeren Sinne) werden solche Kommunikate bezeichnet, die in der Rezeption mehr als einen Sinn ansprechen. Dies ist nicht bei gedruckten Büchern oder Radiofeatures der Fall, dafür aber bei audiovisuellen Medien wie Dokumentarfilmen, Computerspielen oder auch in der Face-to-Face-Interaktion, in der neben gesprochener Sprache (hörbar) auch Mimik, Gestik etc. (sehbar) zusammenkommen. Dies ist im Gegensatz zu dem gezeigten Aufkleber etwa bei [[Dokumentarfilmen]] oder in dem Youtube-Video „[[Die Zerstörung der CDU]].“ des Influencers [[Rezo]] der Fall:
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=== David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten: „Dystopie–Szene“ (49:07-52:07 min.) ===
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In dieser „Dystopie-Szene“ im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.
  
<youtube>https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ&feature=emb_logo&ab_channel=Rezojaloley</youtube>
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In der [https://felixwoitkowski.files.wordpress.com/2021/05/lhct_analyse2_knobel.pdf hier verlinkten Analyse-Datei] wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu „Mit Zac um die Welt“) nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.
  
Für alle multimodalen (im engeren Sinne) Kommunikate gilt, dass sie auch multikodal sind. Der Umkehrschluss, dass alle multikodalen Kommunikate auch multimodal (im engeren Sinne) sind, trifft hingegen nicht zu. Ein bebilderter [[Pressetext]] in einer gdruckten Zeitung wird bewispielsweise nur mit dem Sehsinn rezipiert.
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Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen [[„Mit Zac um die Welt“]] stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.
  
===Die Orchestrierung der Zeichen===
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Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen.„Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm |Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=S. 183–202, hier S. 192}}</ref>
Wenn die Grundannahme der multimodal ausgerichteten Sprachwissenschaft darin besteht, dass neben sprachlichen auch nicht-sprachliche Zeichen zur Bedeutungskonstitution von Kommunikaten beitragen, dann stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Zeichentypen miteinander in Beziehung stehen. In diesem Zusammenhang spricht man von einer ‚Orchestrierung‘ von Zeichen<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Schnettler, Bernt |Titel=Zur Orchestrierung von Listen. Eine Videoperformanzanalyse |Herausgeber*in=Schnettler, Bernt; Knoblacuh, Hubert |Sammelband=Powerpoint-Präsentationen. Neue Formen der gesellschaftlichen Kommunikation von Wissen |Ort=Konstanz |Verlag=UVK |Jahr=2007 |Seite=139–159 }}</ref> – in Anlehnung an ein Orchester, in dem verschiedene Instrumente im aufeinander abgestimmten Zusammenspiel ein komplexes Musikstück hervorbringen. In einer sehr groben Unterscheidung lassen sich  vier Verfahren der Orchestrierung unterscheiden:<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Leeuwen, Theo van |Titel=Introducing Social Semiotics |Ort=London |Verlag=Routlegde |Jahr=2005 |Seite=179 }}</ref>
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Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als dass er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als „vertraut“.
  
*'''Rhythm''': Verschiedene Zeichentypen werden im Zeitverlauf rhythmisiert, etwa mittels Pausen oder anderer zeitlicher Gliederungseinheiten. Dies kann in zeitlich organisierten Kommunikaten wie Radiofeatures, Filmen oder auch Theaterstücken der Fall sein.
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Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.
*'''Composition''': Verschiedene Zeichentypen werden auf einer flächigen Ebene, zum Beispiel einer Buchseite, oder in einem dreidimensionalen Raum, zum Beispiel einer Ausstellung, in einer bedeutungstragenden Weise zueinander aufgebaut und räumlich arrangiert.
 
*'''Information Linking''': Zeichentypen werden implizit oder explizit miteinander in Beziehung gesetzt, etwa durch Zeigegesten, Pfeile oder sprachliche Äußerungen wie „oben sieht man“/“gerade war zu hören“.
 
*'''Dialogue''': In dialogisch konstituierten Kommunikaten kann Bedeutung in der sequentiell wechselseitigen Interaktion zwischen teilnehmenden Interaktionspartner*innen und den von ihnen verwendeten Zeichen entstehen. Dies kann in Alltagsgesprächen, TV-Debatten oder Jam-Sessions beobachtet werden.
 
  
==Weiterführendes==
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=== Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung ===
*Böhm, Felix (2021): ''Präsentieren als Prozess. Multimodale Kohärenz in softwaregestützten Schülerpräsentationen der Oberstufe''. Tübingen: Stauffenburg.
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*Bucher, Hans-Jürgen (2015): ''Multimodalität in der Wissenschaftskommunikation. Theorien, Methoden, Befunde''. [https://www.youtube.com/watch?v=YVTOmOwgJ9s&ab_channel=Wissenschaft-Medien-Kommunikation Online], zuletzt abgerufen am 12.03.2021.
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Trotz dieser Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Dennoch haben sie gemeinsam, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa „Cowspiracy“ (2014), „What The Health“ (2017) oder „Seaspiracy“ (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.
*Klug, Nina-Maria; Stöckl, Hartmut (Hrsg.) (2016): ''Handbuch Sprache im multimodalen Kontext. Berlin; Boston'': De Gruyter.
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*Kress, Gunther (2010): ''Multimodality. A Social Semiotic Approach to Contemporary Communication''. London: Routledge.
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Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.
*Wildfeuer, Janina; Bateman, John A.; Hiippala, Tuomo (2020): ''Multimodalität. Grundlagen, Forschung und Analyse – eine problemorientierte Einführung''. Berlin; Boston: De Gruyter.
 
  
 
== Belege ==
 
== Belege ==
 
<references responsive />
 
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[[Kategorie:Über Klimawandel sprechen]]
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[[Kategorie:]]
[[Kategorie:Sprachwissenschaft]]
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[[Kategorie:]]

Version vom 17. Mai 2021, 15:56 Uhr

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Dieser Beitrag ist kein inhaltlicher Bestandteil des Living Handbooks, sondern die persönliche Werkstatt-Seite von Nutzer*in Felix Böhm. Bitte nehmen Sie keine Änderungen an dieser Seite vor, ohne dies zuvor mit Felix Böhm abgesprochen zu haben.


Korrigierte Version (17.05.2021)

Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel

In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. Während dieser Artikel bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der Emotionalisierung betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen; eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie „Um die Welt mit Zac Efron“ (2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm „David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten“ (2020). Beide Filme stellen, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.


Aber was ist Emotionalisierung?

Emotionen sind laut Meyer et al. (2016) aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können.[1] Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt. Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.[2] Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.

Laut dem Duden[3] und dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache[4] beschreibt der bildungs-/fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden. Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.[5] Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen,[6] sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm.[7].

Modalitäten der Emotionalisierung

Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“ der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel.[8] Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten).[9] Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden. Anhand ausgewählter Stills, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert- siehe dazu die verlinkten PDF-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.

1. Mit Zac um die Welt: „Brotback-Szene“ (07:33–10:33 min.)

In der „Brotback-Szene“ zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als „ihren neuen Freund Sigi“ bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.

In der hier verlinkten Analysedatei ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.

Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren. Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: „großartig, toll, wunderbar, wundervoll“. Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht. In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf den emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich; zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen, ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.

Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit. Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem Infotainment (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.

David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten: „Dystopie–Szene“ (49:07-52:07 min.)

In dieser „Dystopie-Szene“ im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.

In der hier verlinkten Analyse-Datei wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu „Mit Zac um die Welt“) nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.

Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen „Mit Zac um die Welt“ stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.

Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen.„Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend.“[10] Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als dass er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als „vertraut“.

Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.

Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung

Trotz dieser Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Dennoch haben sie gemeinsam, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa „Cowspiracy“ (2014), „What The Health“ (2017) oder „Seaspiracy“ (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.

Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.

Belege

  1. vgl. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 54ff.
  2. vgl. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 55.
  3. vhl. emotionalisieren. In: Duden Wörterbuch. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  4. vgl. emotionalisieren. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  5. vgl. Was ist ein Dokumentarfilm?. In: WDR. Online, zuletzt abgerufen am 26.04.2021.
  6. vgl. J. Algar, W. Hibler (erstmals 1953): The Living Desert. USA: Disney.
  7. vgl. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183–202.
  8. vgl. B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus (2016): Studienhandbuch Filmanalyse. Paderborn: Wilhelm Fink, S. 164.
  9. vgl. H.Schäfer (2014): Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik. In: Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  10. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. S. 183–202, hier S. 192.

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