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Version vom 2. Mai 2022, 07:09 Uhr
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Titel des Artikels: Die metaphorische Berichterstattung über Fridays for Future in 'Zeit – Online'
„Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen, und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen“ [1]
Abstrakt
In diesem Artikel werden die metaphorische Berichterstattung über Fridays for Future im Nachrichtenjournal 'Zeit – Online' und ihre Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung des Themenkomplexes Klimawandel betrachtet. Die Erkenntnisse basieren auf der kognitiven Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson[2] und einer darauf aufbauenden linguistischen Analyse von Pressetexten.
Die Fragestellung der Untersuchung
Unbestritten sind die gravierenden Folgen des Klimawandels und deshalb gilt Klimaschutz als „nicht mehr verhandelbar(e) Grundlage für das Weiterbestehen der Weltgemeinschaft“[3]. Dennoch fordert der bestehende Widerspruch zwischen Wirtschafts- und Klimapolitik die Gesellschaft auf, selbst aktiv zu werden. Für diesen Anspruch hat die Klimabewegung Fridays for Future „die Klimakrise ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion gerückt“ [4].
Fridays for Future ist im Zuge dessen „außergewöhnlich häufig Gegenstand ausführlicher Berichterstattung geworden“[5], denn die Massenmedien lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Klimabelange der Bewegung. Dafür greifen die Medien insbesondere auf szenische Metaphern (Metaphernstrategien) zurück, um die Thematiken des Klimawandels für die Gesellschaft erfahrbar zu machen[6]. Dennoch verfolgt die Berichterstattung dabei vorrangig das Ziel, die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen und somit ihren Nachrichtenwert zu steigern[7].
Darauf aufbauend wurde die analytische Fragestellung abgeleitet, welche metaphorischen Strategien in der Berichterstattung über die Fridays-for-Future-Bewegung zur Steigerung des Nachrichtenwerts verwendet werden. Die angestrebte Analyse konzentriert sich dabei auf das liberale, wöchentliche Nachrichtenjournal ‚Zeit – Online‘, das in Umweltbelangen einen guten Ruf genießt und über als sachkompetent geltende Journalist*innen verfügt[8].
Die theoretische Grundlegung
Die Klimabewegung Fridays for Future
Als soziale Bewegung gegen den Klimawandel bildet Fridays for Future den Untersuchungsgegenstand der Analyse. Eine soziale Bewegung kann dafür grundlegend definiert werden als ein "durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mit Mitteln des Protests […] herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen"[9]. Klimabewegungen fallen unter diese Definition und verfolgen das Ziel, das Umweltbewusstsein des Konsumverbrauchs der Bevölkerung zu schärfen und das politische Handeln danach nachhaltig auszugestalten[10].
Fridays for Future formiert sich Ende 2018, um die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf das Ziel zu lenken, die 2015 auf dem Pariser Klimagipfel festgelegten Ziele zur Reduktion der globalen CO²-Emissionen aufrechtzuerhalten sowie dadurch die fortlaufende Erderwärmung auf eine maximale Erhöhung von 1,5 Grad zu begrenzen[11]. Der erste Impuls geht dabei auf die schwedische Schülerin und Initiatorin Greta Thunberg zurück, die mit ihrem dreiwöchigen ‚Schulstreik für das Klima‘ ab dem 20. August 2018 gegen das Ausmaß des Klimawandels protestierte und mediales Aufsehen erregte[12]. Ihre Idee, Schulstreiks zu initiieren, findet schnell öffentliche Präsenz und mediale Rezeption. Das Klimastreiken verbreitet sich, findet auch in Schweden und den umliegenden Ländern Anklang und fokussiert sich dabei fortlaufend auf Straßenproteste, die vermehrt an Freitagen durch Schüler*innen und Student*innen stattfinden[13].
Als deutsche Initiator*innen treten die 22-jährige Studentin Luisa Neubauer und der 19-jährige Schüler Jakob Blasel in Erscheinung und treiben die Verbreitung der Fridays-for-Future-Bewegung in Deutschland voran[14]. Über 25.000 Menschen demonstrieren bereits am 18. Januar 2019 in verschiedenen Streiks in über 50 deutschen Städten. Dieses Datum gilt retrospektiv als Beginn des deutschen Ablegers der Bewegung[15].
Die Bedeutung medialer Berichterstattung
Soziale Bewegungen verfügen zunächst über keine realen Machtmittel, sondern sind selbst dafür verantwortlich, ihre eigene Existenz zu legitimieren und ihre Forderungen durchzusetzen[16]. Um politischen Handlungsdruck zu erzeugen, sind sie daher darauf angewiesen, ihre Ziele und Inhalte zunächst argumentativ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und durch deren breite Rezeption ein gesellschaftliches Umdenken zu bewirken[17]. Diese rezipierende Öffentlichkeit übt folglich den gesellschaftlichen Handlungsdruck auf die Politik aus.
Insbesondere für den Klimadiskurs nehmen die Massenmedien eine gehobene Stellung ein, denn die bedeutendste Darstellung von Umweltproblemen liefern mediale Erzählungen[18][19]. Existiert der Klimawandel selbst als zeitlich ausgedehntes Phänomen, dessen Folgen nur sehr langsam sichtbar werden, klären die Massenmedien darüber auf[20]. Dabei informiert die Berichterstattung nicht nur über aktuelle, ökologische Lösungsansätze von politischen und ökonomischen Akteur*innen, sondern klärt auch über Misserfolge oder die unzulängliche Beachtung neuer, nachhaltiger Ansätze auf[21].
Allerdings fungieren Massenmedien als eine Art „Wirklichkeitsgenerator“[22]. Das bedeutet, dass das, was die Öffentlichkeit massenmedial über die soziale Bewegung vermittelt bekommt, „bedeutungsgenerierend“[23] und wirklichkeitserschaffend ist. Insofern vermitteln die Medien das Bild, das die Öffentlichkeit von der Bewegung erhält[24]. Während soziale Bewegungen allerdings auf die gesellschaftliche Unterstützung und Mobilisierung für ihre Ziele ausgerichtet sind, streben Medien grundsätzlich nach der größtmöglichen Aufmerksamkeit ihrer Rezipient*innen, deren Gruppe sie stetig zu erweitern versuchen[25]. Es kann somit nicht von dem gleichen Berichterstattungsanspruch gesprochen werden, denn dieser richtet sich bei den Medien nach der Nachrichtenwerttheorie.
Der Nachrichtenwert bezeichnet die Publikationswürdigkeit, die sich aus dem Vorhandensein verschiedener Ereignisaspekte bzw. Faktoren ergibt. Je mehr dieser Faktoren ein Ereignis vereint, desto höher sein Nachrichtenwert[26]. Als Faktoren benennt Staab die Ungewöhnlichkeit (Sensationswürdigkeit), den Bezug zu bestehenden Thematiken (Etablierung), die zeitliche Eingrenzung (Aktualität/Dauer), die Einfachheit (Struktur), die Konsequenzen des Nutzens und Schadens (Intensität), die Beteiligten (Prominenz, Status) und den Ereignisort (Nähe)[27]. Das Ziel liegt somit nicht darin, die Klima-Forderungen der Aktivist*innen darzulegen, sondern die Öffentlichkeit durch eine Verbildlichung spannender Ereignisse zur Rezeption zu bewegen. Medien entwerfen daher sprachlich „phantasievolle Bilder“[28], die die Bevölkerung ansprechen sollen. Diese Bilder werden bevorzugt mittels metaphorischer Darstellungsstrategien konstruiert und stellen einen entscheidenden Mechanismus dar, um den Nachrichtenwert zu steigern.
Metaphorische Szenarios
Wenn Berichterstattungsmedien im „Klimawandeldiskurs über den Klimawandel sprechen, schmücken sie ihre Argumente daher nicht nur mit Metaphern aus, sondern diese transportieren große Anteile der Vorstellungen und Handlungen“[29]. Dies lässt sich darin begründen, dass Metaphern einen grundlegenden Anlass zum Wahrnehmen, Denken und Handeln bilden, da sie Denksysteme strukturieren und aufmerksamkeitssteuernde Eigenschaften beinhalten[30]. Dadurch bilden sie einen wichtigen Stabilisierungsfaktor von Bedeutungssystemen des Umweltdiskurses.
Dem Analysevorhaben wird diesbezüglich die kognitive Metapherntheorie von Lakoff und Johnson zugrunde gelegt, die Metaphern wie folgt definiert: „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another“[31]. Es handelt sich somit um eine weite, umfassende Definition, die alle sprachlichen Ausdrücke umschließt, welche von einer Bildquelle (Quellbereich) auf ein Bildziel (Zielbereich) übertragen werden[32]. Das besondere an der kognitiven Metapherntheorie ist, dass sich verschiedene metaphorische Ausdrücke zu übergeordneten, metaphorischen Konzepten zusammenfassen lassen[33]:
Nach Lakoff & Johnson[34] treten die Metaphernkonzepte Strukturmetapher, Orientierungsmetapher und Ontologische Metapher auf. Die Beschaffenheit dieser Metaphernkonzepte kann anhand der Strukturmetapher verdeutlicht werden. In diesem Konzept wird der Zielbereich durch vergleichbare Ansätze, Systeme oder Funktionen eines Quellbereichs umschrieben. Somit wird ein komplexer Ansatz durch einen anderen komplexen Ansatz metaphorisiert. Ein Beispiel wäre 'Diskussion ist Krieg' (Quellbereich Krieg, Zielbereich Diskussion). Dieses Konzept könnte aus exemplarischen Ausdrücken wie "schießen Sie los" oder "deine Worte treffen mich" geschlussfolgert werden.
Somit lässt sich aus mehreren metaphorischen Ausdrücken (Textbelegen) ein metaphorisches Konzept nach den Metaphernarten von Lakoff und Johnson bilden, wenn diese den gleichen Quell- und Zielbereich beschreiben. Ein oder mehrere Konzepte können ein Szenario (bildliches Szenario) erschaffen.
Die Analyse
Die Methodik
Mittels der systematischen Metaphernanalyse werden in einem fünfschrittigen Prozess aus Phasen der Auswertung, Dekonstruktion und Rekonstruktion zielgerichtete Erkenntnisse gewonnen[35]. Im Rahmen dieses systematischen Vorgehens wird sichergestellt, dass keine einzelnen, metaphorischen Ausdrücke gesammelt, sondern metaphorische Konzepte gebildet und in Szenarios überführt werden.
Das Analysekorpus bilden 14 themenrelevante Artikel aus dem liberalen Journal ‚Zeit – Online‘ in einem Zeitraum vom 15.01.2019 bis zum 15.04.2019, der den Beginn der Klimabewegung Fridays for Future bildet. Alle Textfragmente werden grundsätzlich selektiv in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand analysiert. Als Validitätskritik festzuhalten ist, dass Metaphernkonzepte im Rahmen der Rekonstruktion aus ihrem Kontext gelöst werden.
Die Ergebnisse und ihre Interpretation
Folgende metaphorische Szenarios wurden analytisch erfasst und werden jeweils anhand ihrer metaphorischen Konzepte und exemplarischer metaphorischer Ausdrücke (Belegstellen der Artikel) aufgezeigt. Diese werden folgend bezüglich ihrer Steigerung des Nachrichtenwerts interpretiert.
Szenario | Konzept | exemplarischer Ausdruck | Nachrichtenwert |
---|---|---|---|
Katastrophismus | 'Klimawandel ist (eine) Katastrophe' (Strukturmetapher) | „all die gut begründeten Weltkatastrophenszenarien“ [36] | Intensität |
Prophezeiung | 'Vorhersehbare Ereignisse sind vor uns' (Orientierungsmetapher) | „sich anbahnende Katastrophe“ [37] | Aktualität |
Naturphänomen | 'Klimademonstration ist ein Naturphänomen' (Strukturmetapher) | „einem perfekten Proteststurm“ [38] | Sensation, Intensität |
Krieg | 'Klimademonstration ist Kampf' (Strukturmetapher) | „politische Selbstverteidigung“ [39] | Intensität, Sensation |
Schule | 'Klimademonstration ist Schulstreik' (Strukturmetapher)
'Ein Unterrichtsfach als (die) Schule' (Ontologische Metonymie) |
„das fliehende Klassenzimmer“ [40]
„Erdkunde wichtiger als eine Demo“ [41] |
Intensität, Sensation, Struktur |
Jugend | 'Der Klimawandel ist eine Person' (Ontologische Personifizierung)
'Die Klimabewegung ist eine Person' (Ontologische Personifizierung) |
„1968 war ein Kindergeburtstag“ [42]
|
Aktualität, Intensität |
Initiator*innen | 'Ein*e Initiator*in als Fridays-for-Future-Bewegung' (Ontologische Metonymie) | “die Grünen und Greta“ [44] | Prominenz |
Schauplatz | 'Klimadiskussion ist ein räumlicher Schauplatz' (Orientierungsmetapher) | „eröffnen Politiker einen inhaltlichen Nebenschauplatz“ [45] | Struktur |
Sünde/Unrecht | 'Untätigkeit ist Sünde' (Strukturmetapher) | „Ablasshandel für ihre eigene Passivität“ [46] | Intensität, Sensation |
Armseligkeit | 'Untätigkeit ist Armut' (Strukturmetapher) | „ein Armutszeugnis für die Debattenkultur“ [47] | Intensität, Sensation |
Die Schlussfolgerung
Analytisch kann aufgezeigt werden, dass die Berichterstattung über Fridays for Future in 'Zeit – Online' mit metaphorischen Szenarios einer prophezeiten Katastrophe durch Klimafolgen arbeitet und die Klimabewegung als Naturgewalt verbildlicht. Äußere Aktionsformen werden dabei kriegsmetaphorisch aufgearbeitet. Szenarios der Schule und Jugend fokussieren zudem die jugendlichen Aktivist*innen und die Protestform des Schulstreiks. Einzelne Initiator*innen stehen weiterhin stellvertretend für die gesamte Fridays-for-Future-Bewegung, während die Passivität der Politik als sündiger Verrat am Klima verbildlicht wird.
In der Analyse wurde bezüglich der Steigerung des Nachrichtenwerts geschlussfolgert, dass die äußeren Protest- und Aktionsformen der Fridays-for-Future-Bewegung durch intensitäts- und sensationssteigernde Metaphernstrategien polarisieren. Weiterhin werden bestehende Klimaprobleme in ihrer Aktualität und Intensität metaphernstrategisch gesteigert und die Bewegung selbst statusbezogen an ihre Initiator*innen gebunden. Die Schulinstitution sowie die Standpunkte des Klimadiskurses werden strukturell vereinfacht. Gravierende Klimafolgen werden daher metaphorisch aufgearbeitet, allerdings keine expliziten Klimaforderungen oder Lösungsansätze der Fridays-for-Future-Bewegung verbildlicht.
Abschließend kann somit geschlussfolgert werden, dass die Berichterstattung über die Fridays-for-Future-Bewegung den Klimadiskurs metaphorisch entscheidend vorantreibt, sich aber dennoch vorwiegend intensitäts- und sensationssteigernd auf die äußeren Aktionsformen und nachrangig auf die eigentlichen Klimaforderungen der Bewegung fokussiert.
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