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== Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel ==
 
== Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel ==
  
In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht werden. Diese Betrachtung aus gesellschafts- und sprachwissenschaftlicher Perspektive als auch die Rolle der Emotionalisierung soll dabei anhand von zwei exemplarisch gewählten Szenen aus je einem der folgend beschriebenen Dokumentarfilme erfolgen.  Erstens wird eine Szene der ersten Folge aus der Netflix-Serie [[Um die Welt mit Zac Efron|„Um die Welt mit Zac Efron“]] untersucht werden und zweitens eine Sequenz aus dem biografischen Dokumentationsfilm [[David- Attenborough -Mein Leben auf unserem Planeten|„David- Attenborough -Mein Leben auf unserem Planeten“]]. Zwar ist eine Kenntnis dieser zwei auf der Streamingplattform Netflix erhältlichen Dokumentationen hier nicht nötig, aber zumindest das Schauen der analysierten Szenen hilfreich.  
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In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. [[Dokumentarfilme_über_den_Klimawandel|Während dieser Artikel]] bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der '''Emotionalisierung'''  betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen: eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie [[Down to Earth with Zac Efron|Um die Welt mit Zac Efron]]“ (2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm [[David Attenborough: A Life on Our Planet|David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten]]“ (2020).  
Beide Filme sind, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der [[Klimakrise]], die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Modalitäten der Emotionalisierung nutzen. Wie dies gelingt, soll anhand einer qualitativen Feinanalyse der ausgewählten Videosequenzen geschehen, wobei Analysewerkzeuge der Filmanalyse als Grundlage dienen. Es zeigte sich sowohl bei dem Seminar „Klimawandel auf der Bühne“ als auch „Sprache im Dokumentarfilm“, die im Wintersemester 2020/21 an der Universität Kassel den Germanistik-Studierenden zur Verfügung standen, dass eine reine faktenbasierte Darstellung des [[https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Dokumentarfilme_über_den_Klimawandel|Klimawandel]]s, der seit über 50 Jahren von Wissenschaftlern diskutiert wird, nicht ausreicht. Stattdessen zeigen sich Tendenzen zur Dramatisierung und Emotionalisierung, um Rezipienten mitzureißen und bestenfalls zum Handeln aufzurufen.  
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Beide Filme stellen aktuelle dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.
  
 
=== Aber was ist Emotionalisierung? ===
 
=== Aber was ist Emotionalisierung? ===
Dieser Begriff stammt von Emotionen ab, welche laut Meyer et al.<sup>1</sup> aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit sind, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können. Der Psychologe Ulrich<sup>2</sup> unterteilt Emotionen außerdem in Gefühlsregungen und Stimmungen. Für die hier vorgenommene Betrachtung sind nur Gefühlregungen von Bedeutung, unter denen er „vorübergehende emotionale Zustände von meist kurzer Dauer (…), die durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst werden, einen ‚Einsatz‘ sowie ein Auf- und Abklingen“ versteht, Stimmungen hingegen bilden den „diffusen, wenig gegliederten atmosphärischen Hintergrund des Erlebens“ und halten länger an. Filmsequenzen als ‚Objekt‘ oder ‚Einsatz‘ bewirken aber meist einen temporär begrenzten Effekt. Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist in die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.<sup>2</sup> Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise schocken und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.
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Emotionen sind laut Meyer et al. (2016) aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016|Seite=54ff}}</ref> Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt.
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Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten werden meist die folgenden Hauptemotionen unterschieden: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016| Seite=55}}</ref> Nebst der Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.
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Laut dem Duden<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Titel=emotionalisieren|Website=Duden Wörterbuch |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> und dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Titel= emotionalisieren |Autor*in=Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.) |Website=Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache |Online=https://www.dwds.de/wb/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> beschreibt der bildungs-/fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen. Das heißt: Mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden.
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Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Titel=Was ist ein Dokumentarfilm? |Website=WDR |Online=https://www1.wdr.de/kultur/film/dokmal/die-filmischen-mittel/filmische-mittel-doku-dinger-einfuehrung-100.html |Abruf=26.04.2021 }}</ref> Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich  eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen,<ref>Vgl. {{Quellen-Film|Produzent*in=J. Algar, W. Hibler |Titel=The Living Desert |Jahr=1953 |Produktionsland=USA |Produktionsfirma=Disney}}</ref> sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm|Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen. Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=183–202 }}</ref>
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=== Multimodale Analyse der Emotionalisierung ===
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Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Bild und Ton ein harmonisches Zusammenspiel ergeben. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“ der darüber hinaus erfolgende Dialog der sichtbaren Personen auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die originalen oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und die nachträglich hinzugefügten künstlichen Soundeffekte (SFX) sowie deren Zusammenspiel.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus |Titel=Studienhandbuch Filmanalyse |Ort=Paderborn |Verlag=Wilhelm Fink |Jahr=2016 |Seite=164 }}</ref>
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Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten).<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in=H. Schäfer |Titel=Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik |Zeitschrift=Medienwelten – Zeitschrift für Medienpädagogik|Nummer=3 |Jahr=2014 |Seite=102 |Online= http://medienwelten.mp.ew.tu-dresden.de/|Abruf=23.03.2021 }}</ref>
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Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden.
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Anhand ausgewählter Stills, ergänzt um die Transkription der Stimme aus dem Off und den Dialogen der sichtbaren Personen, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert – siehe dazu die jeweils verlinkten Analyse-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung ergänzt.
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===Mit Zac um die Welt – „Brotback-Szene“ (07:33–10:33 min.) ===
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In der „Brotback-Szene“ zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als „ihren neuen Freund Sigi“ bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.
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In der [https://felixwoitkowski.files.wordpress.com/2021/05/lhct_analyse1_knobel.pdf hier verlinkten Analysedatei] ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.
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Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren.
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Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft einen witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: großartig, toll, wunderbar, wundervoll.
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Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht.
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In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf  emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich: zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.
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Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit.
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Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem [[Infotainment]] (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.
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=== David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten – „Dystopie-Szene“ (49:07–52:07 min.) ===
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In dieser „Dystopie-Szene“ im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.
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In der [https://felixwoitkowski.files.wordpress.com/2021/05/lhct_analyse2_knobel.pdf hier verlinkten Analyse-Datei] wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt, steht der Text (anders als bei der Analyse zu „Mit Zac um die Welt“) nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills. Er setzt stets in der zweiten Kameraeinstellung ein.
  
Laut dem Duden<sup>3</sup> oder auch dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache<sup>4</sup> beschreibt ‚der bildungs-/ fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei dem Zuschauer hervorgerufen werden.
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Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart sowohl mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen „Mit Zac um die Welt“ stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.
Selbstverständlich könnte man, in Anbetracht der Überpräsenz des Emotionalisierungsbegriffes in Auseinandersetzungen mit Filmanalysen, argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die bislang durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet waren. Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die den Zuschauer nicht mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurücklässt, sondern diesen aktiv mitnimmt und für das Problem wachrütteln und ggf. zur Verhaltensänderung führen möchte. Statt sachlicher Berichterstattung steht das Empfinden und Erleben gewisser, dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den Dokumentationen dank der Personengebundenheit (s.u.) gut funktioniert. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als neuer Trend im modernen Dokumentarfilm<sup>6</sup>.
 
Wie können wir Emotionalisierung messen? In diesem Beitrag soll bloß die intendierte, das heißt die von den Filmemachern möglicherweise beabsichtigte Emotionalisierung untersucht werden, anstelle von Querschnittsstudien, in denen Kinobesucher nach ihren Emotionen befragt werden, wie es in psychologischer Forschung üblich ist. Stattdessen soll sich hier auf die, in den Sequenzen angelegte Multimodalität , die zur Emotionalisierung beiträgt, fokussiert werden.
 
  
=== Modalitäten der Emotionalisierung ===
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Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen: „Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend.“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm |Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen. Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=183–202, hier S. 192}}</ref>
Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“  der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel. (B. Beil et al.: S. 164).
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Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als „vertraut“. Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.
Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail), die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten) als auch die Beleuchtung und Farbgestaltung der bewegten Bilder<sup>4</sup> (H. Schäfer; S. 102).
 
Außerdem sollen Aussagen über die Montage, also die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung getroffen werden.
 
Anhand ausgewählter Screenshots, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind,  werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert - siehe dazu die PDFs. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.
 
 
=== 1. Mit Zac um die Welt „Brotback-Szene“ 7:33-10:33 min. ===
 
Gesamtlänge der Folge: 46:53min. verbleibende Zeit: 39:20 min. -36.20 min.  
 
[[Datei:Beginn Brotback-Szene.png|mini|links]]
 
Im Folgenden ist der gesamte Text de Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer und in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Screenshots bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Bildern, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt, außerdem geben die Stichpunkte Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls nötig) als auch über Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.
 
  
(PDF Zac muss hier hin)
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=== Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung ===
  
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Trotz der genannten Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Gemeinsam ist ihnen, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa „[[Cowspiracy]]“ (2014), „[[What The Health]]“ (2017) oder „[[Seaspiracy]]“ (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.
  
Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass es sehr viel Dynamik in der Kamerahaltung gibt, da diese fast ausschließlich in Bewegung ist, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder mal in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Durch diese Montage-Technik, in Kombination mit der Tatsache, dass fast ausschließlich die Normalsicht (also eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive) gewählt wurde, entsteht die Wirkung, dass der Zuschauer Teil des Geschehens werden soll. Dieser Effekt wird außerdem durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische und spontane Stimmung zu evozieren.
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Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.
Bei Betrachtung des Gesagten fällt hinsichtlich der Stimme aus dem Off auf, dass diese von Zac Efron erfolgt, welcher in der deutschen Übersetzung eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, sind kaum Fachtermini enthalten, statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen geloben. Auffällig sind vor allem die positiv besetzten Adjektive, die man in der Sprachwissenschaft auch als Hochwertwörter bezeichnet: „Großartig, toll, wunderbar, wundervoll“.  
 
Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der tatsächlich hauptsächlich zum Sprücheklopfen und zum Gutaussehen, Staunen und Genießen Teil der Serie zu sein scheint. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der auch im weiteren Verlauf der Folge Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht.
 
Es zeigt sich, in Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs ein Fokus auf den emotionalisierenden statt Wissen vermittelnden Aussagen. Ein derartiger klarer Fokus auf Emotion und Entertainment beweist auch die zeitliche Schwerpunktsetzung; Zwanzigsekündige Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen sind modern und ästhetisch, kurz und ansehnlich, tragen aber zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und beweisen, ebenso wie die auflockernde und funkige Hintergrundmusik, dass hier eine lockere und unterhaltsame Wirkung intendiert ist.
 
  
Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende, beschwingende und gute Laune machende Wirkung beim Zuschauer, welcher sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und ein wenig auch lernenden Gruppe steht. Die intendierte emotionalisierende Wirkung ist demnach, dass die die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar nicht mit negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut schockieren will, sondern ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen ein ungezwungenes, lockeres und optimistische Erleben der oft negativ konnotierten Klimakrise und Thematik der Nachhaltigkeit zeichnen will.
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== Belege ==
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<references responsive />
  
WEITERE FORSCHUNGSANSÄTZE
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{{Autor*innenschaft|Vorname=Leona|Nachname=Knobel |Vorname2= |Nachname2= |Tag=23|Monat=03|Jahr=2021|Bearbeitung-Vorname= | Bearbeitung-Nachname= |Bearbeitung-Vorname2= | Bearbeitung-Nachname2= |Bearbeitung-Tag= |Bearbeitung-Monat=| Bearbeitung-Jahr= }}
Da diese Analyse sich primär auf die Kameraführung, Visualisierung und Wortwahl als auch den Gesamteindruck der ausgewählten Sequenz bezieht, finden weitere Aspekte, die die aktuelle Tendenz der Emotionalisierung zusätzlich betonen, wenig Raum. Spannend wäre es beispielweise die Gesamtfolge zu untersuchen, etwa hinsichtlich ihrer zeitlichen Einteilung in wissensvermittelnde oder in der Unterhaltung dienende Abschnitte. Spannende Untersuchungen ergäben sich auch in Hinblick auf die Bildfarben und das Colour Grading oder auf Zacs Selbstinszenierung und Outfitwahl (vor allem im Kontrast zu dem stets unauffällig gekleideten Darin) RAUS?
 
Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem Infotainment (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm.
 
Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.
 
Jedoch zeigt auch dieser Film einschließlich der nun folgenden Analyse Aspekte der Emotionalisierung und demnach Mittel, wie Zuschauer an den Klimawandel herangeführt und für das Thema begeistert werden können.
 
  
=== David Attenborough- Mein Leben auf unserem Planeten "Dystopie Szene" 49:07 min. -52:07 min. ===
 
Gesamtlänge: 1:23:46 verbleibende Zeit: 34:39 min. – 31:39 min.
 
[[Datei:David Attenborough.png|mini|rechts]]
 
Auch hier wurde der gesamte Text transkribiert, einige, nach dem selben Muster gestalteten Montagen und Bildsequenzen wurden ausgelassen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu "Mit Zac um die Welt") nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Bildern, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.
 
  
(PDF David A. muss hier hin)
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=Ursprungsversion=
  
  
Insgesamt zeigt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme (aus dem Off bzw. die seines deutschen Sprechers) ein ansgteinflössender Eindruck. Gepaart mit der perfekt darauf abgestimmten mal lauter und mal leiseren, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich eingefügten und laut regulierten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Die intendierten Emotionen scheinen, anders als bei dem freudvollen [[„Mit Zac um die Welt“]] tatsächlich Angst, Trauer oder Wut zu sein. Der Zuschauer soll mittels Empathie erregender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels sachlich präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik eine emotionalisierende Wirkung enthalten, schockiert und mitgerissen werden. Dieser Eindruck entspricht den Beobachtungen, die Thomas Klein<sup>6</sup> in seinen Betrachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen macht, 'Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend' (T. Klein; S. 192). Demnach kann David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise als ein sehr stereotypischer Dokumentationsfilm aufgefasst werden, zumal auch von Netflix mit dem Adjektiv "vertraut" betitelt, welcher vor allem durch zahlreiche ästhetisierende Naturbilder und dazugehöriger Faktenpräsentation durch eine weise klingende Stimme (aus dem Off) gekennzeichnet ist.
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== Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel ==
Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das vollkommene Gegenteil zu der heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen bilden hier negative Emotionen die intendierte Wirkung, das heißt, es zeigt sich ebenfalls ein Fokus auf Emotionalisierung. Zudem wird das schockierende Szenario, welches David Attenborough in der Dystopie-Szene zeichnet im weiteren Verlauf der Dokumentation relativiert und weicht letztlich Hoffnung und einem Apell an den Zuschauer.
 
WEITERE FORSCHUNGSANSÄTZE
 
Dies würde eine Betrachtung des weiteren Verlaufs oder einer Gesamtstruktur der Dokumentation ergeben, die vorliegende Analyse beschränkt sich jedoch , genauso wie die Analyse der Brotback-Szene, auf die Kameraeinstellung und Montagetechnik sowie Wortwahl und Geräuschkulisse der ausgewählten Szene. Grundsätzlich kann auch die genauere Betrachtung eines Intros oder Outros bei Zac Efrons als auch David Attenboroughs Dokumentation oder die Selbstbeschreibung der Serie durch Netflix aufschlussreich sein. Ebenso wie eine genauere Betrachtung der Person Zac bietet auch hier sich ein detaillierter Blick auf David Attenborough und seine Selbstinszenierung als erfahrenen, betroffenen Erdbewohner an.  WEITERE FORSCHUNGSIDEEN RAUS ODER UNTER EIGENER ÜBERSCHRIFT?
 
  
=== Personengebundenheit, Ästhetisierung, Emotionalisierung & Kommerzialisierung ===
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In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. [[Dokumentarfilme_über_den_Klimawandel|Während dieser Artikel]] bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der '''Emotionalisierung'''  betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen; eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie [[Um die Welt mit Zac Efron|„Um die Welt mit Zac Efron“]](2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm [[David- Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten|„David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten“]](2020).
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Beide Filme stellen, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.
  
Spannend ist, dass obgleich die beiden untersuchten Dokumentationen völlig unterschiedlich emotionalisieren, dabei sprechen sie nicht nur unterschiedlichste Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus und doch teilen sie die Gemeinsamkeit, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchtet werden. Dies zeigt ich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa "What The Health", "Cowspiracy" oder "Seaspiracy", die allesamt anhand einer Person den Zuschauer mit an die Hand durch einen Dschungel an komplexen Zusammenhängen zum  Thema Klimawandel nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der man vertraut, kann entlastend und erleichtern in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung beim Zuschauer.
 
Zudem sind Naturaufnahmen, insbesondere bei David Attenboroughs- Mein Leben auf unserem Planeten, obgleich erschreckende Tatsachen abbildend, meist ästhetisch und optisch ansprechend, was nicht zuletzt an einer der Natur innewohnenden Schönheit liegen könnte und laut Thomas Klein auch in Dokumentationen die keinen Apell hinsichtlich des Klimawandels und einer Verhaltensänderung enthalten, insgeheim Werbung für die Erhaltung dieser Natur und Ästhetik machen. (T. Klein; S.194) Wenn wunderschöne und beeindruckende Landschaften brutal zerstört werden, wie die Dystopie-Szene verdeutlicht, funktioniert die schockierende Emotionalisierung besser.
 
  
Zuletzt sollte bei der Betrachtung derartiger Medien nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschuaerbindung ein ökonomisch sinnvoller Aspekt, ebenso sinnvoll wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeit/Klimawandel-Thematik als auch dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken. Was bleibt? Die Rolle der Emotionalisierung für den Klimawandel ist so groß, wie die Problematik selbst.
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=== Aber was ist Emotionalisierung? ===
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Emotionen sind laut Meyer et al.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016|Seite=54ff.}}</ref> aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können.
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Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt.
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Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016|Seite=55.}}</ref> Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.
  
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Laut dem Duden<ref>{{Quellen-Literatur|Titel=emotionalisieren|Website=Duden Wörterbuch |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> oder auch dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache<ref>{{Quellen-Literatur|Titel= emotionalisieren|Website=Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften |Online=https://www.dwds.de/wb/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref> beschreibt ‚der bildungs-/ fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden.
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Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.<ref>{{Quellen-Literatur|Titel=Was ist ein Dokumentarfilm? |Website=WDR |Online=https://www1.wdr.de/kultur/film/dokmal/die-filmischen-mittel/filmische-mittel-doku-dinger-einfuehrung-100.html |Abruf=26.04.2021 }}</ref> Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen (vgl.<ref>{{Quellen-Film|Produzent*in=J. Algar, W. Hibler |Titel=The Living Desert |Jahr=erstmals 1953 |Produktionsland=USA |Produktionsfirma=Disney}}</ref>), sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm|Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=183-200 }}</ref>.
  
=== Quellen: ===
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=== Modalitäten der Emotionalisierung ===
==== Literatur: ====  
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Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“  der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel.<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus |Titel=Studienhandbuch Filmanalyse |Ort=Paderborn |Verlag=Wilhelm Fink |Jahr=2016 |Seite=164 }}</ref>
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Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten). <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=H.Schäfer |Titel=Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik |Zeitschrift=Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik|Nummer=3 |Jahr=2014 |Seite=102 |Online= http://medienwelten.mp.ew.tu-dresden.de/|Abruf=23.03.2021 }}</ref>
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Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden.
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Anhand ausgewählter Stills, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind,  werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert- siehe dazu die verlinkten PDF-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Hänsel et al.|Titel=Sportpsychologie |Ort=Berlin, Heidelberg |Verlag=Springer |Jahr=2016|Seite=54ff. }}</ref>
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=== 1. Mit Zac um die Welt<ref>{{Quellen-Film|Produzent*in=Z.Efron, C.Henson, B.Volk-Weiss |Titel=Mit Zac um die Welt |Jahr=2020 |Produktionsland=USA |Produktionsfirma=Netflix |Zeitangabe=Staffel 1, Folge 1: Island, 7:33-10:33 }}</ref> „Brotback-Szene“7:33-10:33 min. ===
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Die Gesamtlänge der Folge beträgt 46:53min., d.h. die verbleibende Zeit sind 39:20 min. -36.20 min.
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[[Datei:Beginn Brotback-Szene.png| Still aus "Mit Zac um die Welt, Folge 1: Island" (06:45)|mini|links]]
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=N.Rendt |Titel=Emotionalisierung von Nachrichten am Beispiel der Tagesschau und den Sat.1 News|Ort=München|Verlag=GRIN Verlag|Jahr=2004|Online=https://www.grin.com/document/81191|Abruf=23.03.2021}}</ref>
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In der Szene zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als "ihren neuen Freund Sigi" bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.
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In der verlinkten PDF ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die
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Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.
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(PDF Zac)
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<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=H.Schäfer |Titel=Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik |Zeitschrift=Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik|Nummer=3 |Jahr=2014 |Seite=100ff. |Online= http://medienwelten.mp.ew.tu-dresden.de/|Abruf=23.03.2021 }}</ref>
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Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren.
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Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: „großartig, toll, wunderbar, wundervoll“.  
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Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht.
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In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf den emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich; zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen, ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=B. Beil, J. Kühnel C. Neuhaus |Titel=Neuhaus Studienhandbuch Filmanalyse |Ort=Paderborn |Verlag=Wilhelm Fink |Jahr=2016 }}</ref>
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Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit.
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Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem [[Infotainment]] (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Kuchenbuch |Titel=Filmanalyse- Theorien. Methoden. Kritik |Ort= Wien, Köln, Weimar |Verlag=Böhlau Verlag: |Jahr=2005 }}</ref>
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=== David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten<ref>{{Quellen-Film|Produzent*in=A.Fothergill, K.Scholey, J.Hughes |Titel=David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten |Jahr=2020 |Produktionsland=UK |Produktionsfirma=Netflix |Zeitangabe=49:07-52:07}}</ref> "Dystopie Szene" 49:07 min. -52:07 min. ===
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Die Gesamtlänge des Dokumentarfilms beträgt 1:23:46, d.h. die verbleibende Zeit sind 34:39 min. – 31:39 min.
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[[Datei:David Attenborough.png| Still aus "David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten" (49:07) |mini |rechts]]
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In dieser Szene im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfil|Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=183-200 }}</ref>
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In der verlinkten PDF wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu "Mit Zac um die Welt") nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.
  
==== Dokumentationen: ====
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(PDF David)
  
  
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Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen [[„Mit Zac um die Welt“]] stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.
  
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Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen."Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend"<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=T. Klein |Titel=Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm|Herausgeber*in=C. Heinze und T. Weber |Sammelband=Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft |Ort=Wiesbaden |Verlag=Springer Fachmedien |Jahr=2017 |Seite=192}}</ref>
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Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als dass er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als "vertraut".
  
<ref>{{Quellen-Film|Produzent*in=Z.Efron, C.Henson, B.Volk-Weiss |Titel=Mit Zac um die Welt |Jahr=2020 |Produktionsland=USA |Produktionsfirma=Netflix |Zeitangabe=Staffel 1, Folge 1: Island, 46min }}</ref>
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Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.
  
<ref>{{Quellen-Film|Produzent*in=A.Fothergill, K.Scholey, J.Hughes |Titel=David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten |Jahr=2020 |Produktionsland=Dänemark |Produktionsfirma=Netflix |Zeitangabe=1h 54min}}</ref>
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=== Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung ===
  
==== Links: ====
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Trotz dieser Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Dennoch haben sie gemeinsam, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa "Cowspiracy" (2014), "What The Health" (2017) oder "Seaspiracy" (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.
<sup>3</sup>
 
<sup>4</sup> ,
 
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Titel= 'emotionalisieren'|Website=Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften |Online=https://www.dwds.de/wb/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref>
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Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.
  
<ref>{{Quellen-Literatur|Titel='emotionalisieren' |Website=Duden Wörterbuch |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/emotionalisieren |Abruf=19.04.2021 }}</ref>
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=== Belege: ===

Aktuelle Version vom 29. September 2021, 11:45 Uhr

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Dieser Beitrag ist kein inhaltlicher Bestandteil des Living Handbooks, sondern die persönliche Werkstatt-Seite von Nutzer*in Leona Knobel. Bitte nehmen Sie keine Änderungen an dieser Seite vor, ohne dies zuvor mit Leona Knobel abgesprochen zu haben.


Korrigierte Version (17.05.2021)

Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel

In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. Während dieser Artikel bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der Emotionalisierung betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen: eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie „Um die Welt mit Zac Efron“ (2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm „David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten“ (2020). Beide Filme stellen aktuelle dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.

Aber was ist Emotionalisierung?

Emotionen sind laut Meyer et al. (2016) aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können.[1] Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt. Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten werden meist die folgenden Hauptemotionen unterschieden: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.[2] Nebst der Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.

Laut dem Duden[3] und dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache[4] beschreibt der bildungs-/fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen. Das heißt: Mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden. Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.[5] Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen,[6] sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm.[7]

Multimodale Analyse der Emotionalisierung

Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Bild und Ton ein harmonisches Zusammenspiel ergeben. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“ der darüber hinaus erfolgende Dialog der sichtbaren Personen auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die originalen oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und die nachträglich hinzugefügten künstlichen Soundeffekte (SFX) sowie deren Zusammenspiel.[8] Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten).[9] Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden. Anhand ausgewählter Stills, ergänzt um die Transkription der Stimme aus dem Off und den Dialogen der sichtbaren Personen, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert – siehe dazu die jeweils verlinkten Analyse-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung ergänzt.

Mit Zac um die Welt – „Brotback-Szene“ (07:33–10:33 min.)

In der „Brotback-Szene“ zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als „ihren neuen Freund Sigi“ bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.

In der hier verlinkten Analysedatei ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.

Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren. Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft einen witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: großartig, toll, wunderbar, wundervoll. Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht. In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich: zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.

Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit. Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem Infotainment (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.

David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten – „Dystopie-Szene“ (49:07–52:07 min.)

In dieser „Dystopie-Szene“ im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.

In der hier verlinkten Analyse-Datei wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt, steht der Text (anders als bei der Analyse zu „Mit Zac um die Welt“) nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills. Er setzt stets in der zweiten Kameraeinstellung ein.

Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart sowohl mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen „Mit Zac um die Welt“ stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.

Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen: „Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend.“[10] Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als „vertraut“. Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.

Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung

Trotz der genannten Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Gemeinsam ist ihnen, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa „Cowspiracy“ (2014), „What The Health“ (2017) oder „Seaspiracy“ (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.

Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.

Belege

  1. Vgl. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 54ff.
  2. Vgl. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 55.
  3. Vgl. emotionalisieren. In: Duden Wörterbuch. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  4. Vgl. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.) (o. J.): emotionalisieren. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  5. Vgl. Was ist ein Dokumentarfilm?. In: WDR. Online, zuletzt abgerufen am 26.04.2021.
  6. Vgl. J. Algar, W. Hibler (1953): The Living Desert. USA: Disney.
  7. Vgl. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen. Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183–202.
  8. Vgl. B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus (2016): Studienhandbuch Filmanalyse. Paderborn: Wilhelm Fink, S. 164.
  9. Vgl. H. Schäfer (2014): Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik. In: Medienwelten – Zeitschrift für Medienpädagogik Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  10. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen. Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183–202, hier S. 192.



Autor*innen

Erstfassung: Leona Knobel am 23.03.2021. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der [[Diskussion:Benutzer:Leona Knobel/Werkstatt|Diskussionsseite]] einsehbar.

Zitiervorlage:
Knobel, Leona (2021): Werkstatt. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Benutzer:Leona Knobel/Werkstatt, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.



Ursprungsversion

Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel

In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht und damit um eine kultur-/medien- bzw.- filmwissenschaftliche Perspektive erweitert werden. Während dieser Artikel bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, wird hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der Emotionalisierung betrachtet. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch ausgewählten Szene aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen; eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie „Um die Welt mit Zac Efron“(2020) und eine aus dem biografischen Dokumentationsfilm „David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten“(2020). Beide Filme stellen, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise dar, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Strategien der Emotionalisierung einsetzen. Diese werden im Folgenden mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt.


Aber was ist Emotionalisierung?

Emotionen sind laut Meyer et al.[1] aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können. Dabei werden kurzweilige und intensiv auftretende Affekte von länger andauernden und minder intensiven Stimmungen oder Befindlichkeiten abgegrenzt. Bei Betrachtung der durch Filmsequenzen evozierten Emotionen spielen primär Affekte eine Rolle, da der Film als Objekt verstanden werden kann, auf den eine kurzweilige, aber intensive Gefühlsregung folgt. Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.[2] Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise aufrütteln und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.

Laut dem Duden[3] oder auch dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache[4] beschreibt ‚der bildungs-/ fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei den Zuschauenden hervorgerufen werden. Selbstverständlich könnte man argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die in ihrer ursprünglichen Bedeutung durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet sind.[5] Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die Zuschauenden nicht einfach mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurückzulassen (vgl.[6]), sondern sie aktiv mitzunehmen, für das Problem wachzurütteln und ggf. zu Verhaltensänderungen anzuregen. Statt einer rein faktenbasierten Darstellung des Klimawandels steht das Empfinden und Erleben dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den ausgewählten Dokumentationen durch die Personengebundenheit (s.u.) verstärkt wird. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als Trend im modernen Dokumentarfilm[7].

Modalitäten der Emotionalisierung

Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“ der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel.[8] Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail) und die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten). [9] Außerdem sollen Aussagen über die Montage, d.h. die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung, getroffen werden. Anhand ausgewählter Stills, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert- siehe dazu die verlinkten PDF-Dateien. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.

1. Mit Zac um die Welt[10] „Brotback-Szene“7:33-10:33 min.

Die Gesamtlänge der Folge beträgt 46:53min., d.h. die verbleibende Zeit sind 39:20 min. -36.20 min.

Still aus "Mit Zac um die Welt, Folge 1: Island" (06:45)

In der Szene zu Beginn der Folge sind Zac Efron und Darin Olien in Laugavartn, einem Ort auf der südlichen Halbinsels Islands. Dort treffen sie in der Nähe des geothermalen Wellnesscenters Fontana Spa, dessen Manager, den sie als "ihren neuen Freund Sigi" bezeichnen. Dieser erklärt und zeigt ihnen, wie die Bewohner Islands die vulkanischen Aktivitäten zum Beispiel zum Kochen oder zum Heizen nutzen.

In der verlinkten PDF ist der gesamte Text der Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer, in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Skills bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Stills, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt. Die Stichpunkte geben Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls für die Analyse nötig) sowie über die Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.

(PDF Zac)


Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass die Kamera fast ausschließlich in Bewegung ist und binnen Sekunden das Bild wechselt, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Es zeigt sich, dass fast ausschließlich die Normalsicht, d.h. eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive gewählt wurde. Durch diese Kameraperspektive und Dynamik in der Kameraführung sowie die rapide Montage-Technik wirkt es für Zuschauende so, als seien sie Teil des Geschehens. Dieser Effekt wird durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick, verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische Stimmung zu evozieren. Die Stimme aus dem Off stammt von Zac Efron selbst, welcher in der deutschen Synchronisation eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, werden kaum Fachtermini verwendet. Statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen loben. Auffällig sind vor allem die positiv konnotierten Adjektive: „großartig, toll, wunderbar, wundervoll“. Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der hauptsächlich fürs Sprücheklopfen, Gutaussehen, fürs Staunen und Genießen zuständig ist. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der im weiteren Verlauf der Folge sowohl Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht. In Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs liegt somit ein Fokus auf den emotionalisierenden statt wissensvermittelnden Aussagen. Dieser Fokus auf Emotion und Entertainment wird ebenfalls in der zeitliche Schwerpunktsetzung deutlich; zwanzigsekunden lange Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen tragen zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und erzeugen, ebenso wie die funkige Hintergrundmusik eine lockere und unterhaltsame Wirkung.

Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende und beschwingende Stimmung. Zudem fühlen Zuschauende sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und lernenden Gruppe. Wie die Analyse gezeigt hat, schürt die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar keine negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut, sondern ermöglicht ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen eine ungezwungene, lockere und optimistische Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit. Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem Infotainment (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“.

David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten[11] "Dystopie Szene" 49:07 min. -52:07 min.

Die Gesamtlänge des Dokumentarfilms beträgt 1:23:46, d.h. die verbleibende Zeit sind 34:39 min. – 31:39 min.

Still aus "David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten" (49:07)

In dieser Szene im letzten Drittel des Films zeigt David Attenborough nach einer eindringlichen Anmoderation, welche Klimaveränderungen er nach aktuellem Stand der Wissenschaft zukünftig erleben müsste, wenn er heute geboren würde.

In der verlinkten PDF wurde der gesamte Text transkribiert und fast alle Bildsequenzen aufgegriffen, außer drei bis vier Stills am Schluss, weil sie nach dem gleichen Muster funktionieren wie die vorangegangen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu "Mit Zac um die Welt") nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Stills, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.

(PDF David)


Insgesamt ergibt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme ein erschütternder Eindruck. Gepaart mit der darauf abgestimmten, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich laut eingefügten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Anders als bei dem freudvollen „Mit Zac um die Welt“ stehen daher die Emotionen Angst, Trauer oder Wut im Vordergrund. Die Zuschauenden sollen mittels Empathie erzeugender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels der präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik ebenfalls emotionalisierend wirken, aufgerüttelt und mitgerissen werden.

Dieser Eindruck entspricht Thomas Kleins Beobachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen."Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend"[12] Demnach weist David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise insofern stereotypischer Elemente eines Dokumentationsfilm auf, als dass er zahlreiche ästhetisierende Naturbilder enthält und wissenschaftliche Fakten von einer weise klingenden, tiefen Stimme präsentiert werden. Auch Netflix charakterisiert ihn in der stichpunktartigen Beschreibung als "vertraut".

Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das Gegenteil zu der unkonventionell heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen sensibilisieren hier negative Emotionen für Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit.

Personengebundenheit, Emotionalisierung & Kommerzialisierung

Trotz dieser Unterschiede emotionalisieren beide der untersuchten Dokumentationen in hohem Maße. Dabei sprechen sie nicht nur unterschiedliche Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus. Dennoch haben sie gemeinsam, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchten. Dies zeigt sich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa "Cowspiracy" (2014), "What The Health" (2017) oder "Seaspiracy" (2020), die allesamt anhand einer Person den Zuschauenden mit an die Hand in den komplexen Wissenschaftsbereich des Klimawandels nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der Rezipierende vertrauen, kann entlastend in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung.

Zuletzt sollte bei der Betrachtung dieser Filme nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung auch ökonomisch zu verstehen, ebenso wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits-/Klimawandel-Thematik und dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken.

Belege:

  1. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 54ff..
  2. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 55..
  3. emotionalisieren. In: Duden Wörterbuch. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  4. emotionalisieren. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  5. Was ist ein Dokumentarfilm?. In: WDR. Online, zuletzt abgerufen am 26.04.2021.
  6. J. Algar, W. Hibler (erstmals 1953): The Living Desert. USA: Disney.
  7. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183-200.
  8. B. Beil, J. Kühnel, C. Neuhaus (2016): Studienhandbuch Filmanalyse. Paderborn: Wilhelm Fink, S. 164.
  9. H.Schäfer (2014): Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik. In: Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  10. Z.Efron, C.Henson, B.Volk-Weiss (2020): Mit Zac um die Welt. USA: Netflix. Staffel 1, Folge 1: Island, 7:33-10:33.
  11. A.Fothergill, K.Scholey, J.Hughes (2020): David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten. UK: Netflix. 49:07-52:07.
  12. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfilm. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 192.