Tatsache (sprachphilosophisch): Unterschied zwischen den Versionen

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In der öffentlichen Debatte wird häufig eine (meist naturwissenschaftlich-technische) Perspektive auf den Klimawandel eingenommen, die den Klimawandel als rohe Tatsache begreift. Wenn man wissenschaftliche Tatsachen hingegen wie etwa [[Bruno Latour]] als Resultate langandauernder „Institutionalisierungsprozesse“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in= Latour, Bruno |Titel= Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft |Ort= Frankfurt am Main |Verlag= Suhrkamp|Jahr= 2002|Seite= 381 }}</ref> versteht, dann wird klar, dass der Gegenstand der Naturwissenschaften zwar (häufig) rohe Tatsachen sind, aber jede Form der Beschreibung diese in institutionelle Tatsachen überführt. Denn der Klimawandel kann als soziales Phänomen und gleichzeitig als beobachtungsunabhängiger Prozess verstanden werden, wie im obigen Beispiel auch ein Berg für Searle Aspekte der rohen und institutionellen Tatsachen umfasst. Entsprechend ließe sich zwischen rohen und institutionellen Tatsachenaspekten des Klimawandels unterscheiden: Etwa die weltweite, bodennahe Lufttemperatur oder das Abschmelzen von Gletschern einerseits als rohe Tatsachenaspekte, „Klima“ als Beschreibung des Zustands der Atmosphäre über einen mindestens 30-jährigen Zeitraum, der sprachliche Verweis auf die klimatische Veränderung als „Erderwärmung“, „Klimawandel“ oder „Klimakrise“ oder die Forderungen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 andererseits als institutionelle Tatsachenaspekte. Begreift man Tatsachen wie sie Searle versteht, können institutionelle Tatsachen eindeutig nicht isoliert von rohen Tatsachen betrachtet werden, da Searle argumentiert, dass das Ziel institutioneller Strukturen darin besteht, rohe Tatsachen zu kontrollieren und sie sprachlich und damit gesellschaftlich verankert zu beschreiben. Denn eine rohe Tatsache macht uns nicht verantwortlich bzw. verpflichtet uns zu nichts, aber als institutionelle Tatsache verleiht sie uns Rechte und erlegt uns Pflichten auf und zwingt uns damit zum Handeln.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in= Searle, John R.|Titel= Mind, language, and society. Philosophy in the real world|Ort= New York |Verlag= Basic Books|Jahr= 1999 |Seite= 131 }}</ref>
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In der öffentlichen Debatte wird häufig eine naturwissenschaftlich-technische Perspektive auf den Klimawandel eingenommen, die den Klimawandel als rohe Tatsache begreift. Wenn man wissenschaftliche Tatsachen hingegen wie etwa [[Bruno Latour]] als Resultate langandauernder „Institutionalisierungsprozesse“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in= Latour, Bruno |Titel= Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft |Ort= Frankfurt am Main |Verlag= Suhrkamp|Jahr= 2002|Seite= 381 }}</ref> versteht, dann wird klar, dass der Gegenstand der Naturwissenschaften zwar (häufig) rohe Tatsachen sind, aber jede Form der Beschreibung diese in institutionelle Tatsachen überführt. Denn der Klimawandel kann als soziales Phänomen und gleichzeitig als beobachtungsunabhängiger Umwelt-Prozess verstanden werden. Entsprechend ließe sich zwischen rohen und institutionellen Tatsachenaspekten des Klimawandels unterscheiden: Etwa die weltweite, bodennahe Lufttemperatur oder das Abschmelzen von Gletschern einerseits als rohe Tatsachenaspekte, andererseits „Klima“ als Beschreibung des Zustands der Atmosphäre über einen mindestens 30-jährigen Zeitraum oder die [[Berichterstattung über die Waldbrände in Kalifornien 2020|Berichterstattung]] in der [[Analyse von Pressetexten|Presse]] mit dem sprachlichen Verweis auf die klimatische Veränderung als „Erderwärmung“, „Klimawandel“ oder „Klimakrise“ als institutionelle Tatsachenaspekte. Begreift man Tatsachen in dieser Wechselbeziehung, können institutionelle Tatsachen eindeutig nicht isoliert von rohen Tatsachen betrachtet werden, da Searle argumentiert, dass das Ziel institutioneller Strukturen darin besteht, rohe Tatsachen zu kontrollieren und sie sprachlich und damit gesellschaftlich verankert zu beschreiben. Denn eine rohe Tatsache macht uns nicht verantwortlich bzw. verpflichtet uns zu nichts, aber als institutionelle Tatsache verleiht sie uns Rechte und erlegt uns Pflichten auf und zwingt uns damit zum Handeln.<ref>Vgl. {{Quellen-Literatur|Autor*in= Searle, John R.|Titel= Mind, language, and society. Philosophy in the real world|Ort= New York |Verlag= Basic Books|Jahr= 1999 |Seite= 131 }}</ref>
  
 
== Belege ==
 
== Belege ==

Aktuelle Version vom 28. Februar 2022, 13:36 Uhr


Teil der Reihe
Wissen in der Klimakrise
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Einführung in die Themenreihe
Was ist eine Tatsache?
alltagssprachlich
wissenschaftssoziologisch
sprachphilosophisch


Für „Wissensgesellschaften“[1] scheint es wie selbstverständlich, sich auf Tatsachen zu berufen. Doch bereits die Frage danach, was von wem und in welchen Kontexten als Tatsache anerkannt wird, eröffnet den Blick auf den Tatsachenbegriff selbst. Als Teil einer Reihe zum Tatsachenbegriff, beschäftigt sich dieser Artikel mit dem sozialontologischen Begriff der Tatsache aus einer sprachphilosophischen Perspektive, wie sie vor allem durch den Philosophen John Searle geprägt wurde.

Rohe und institutionelle Tatsachen

Searle stellt sich die Ausgangsfrage, was an einem Geldschein diesen eigentlich zu Geld macht, denn hierzu seien dessen physischen Beschaffenheiten eher irrelevant.[2] Geld wird von ihm neben Heirat oder dem Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten als beispielhaft für eine Kategorie unserer Realität angeführt, die dadurch konstituiert wird, dass wir sie für das jeweils Entsprechende erachten, sie also „nur deshalb existiert, weil wir denken, dass sie existiert".[3] Searle bezeichnet diese Kategorie als institutionelle Tatsachen (engl. institutional facts) und grenzt diese von rohen Tatsachen (engl. brute facts) ab. Als rohe Tatsachen beschreibt Searle Tatsachen, wie Schnee auf dem Mount Everest oder, dass die Sonne dreiundneunzig Millionen Meilen von der Erde entfernt ist.[4] Im Kontrast zum einheitlich konzipierten Tatsachenbegriff der Alltassprache, lassen sich sprachphilosophisch somit zwei Tatsachenbereiche unterscheiden, die gleichermaßen Teil unserer Wirklichkeit sind. Um diese Unterscheidung klarer zu machen, lässt sich auf das Konzept der Beobachtungsabhängigkeit bzw. -unabhängigkeit zurückgreifen.

Charakteristisch für rohe Tatsachen ist es, dass sie unabhängig davon sind, ob sie von Menschen – in einem sehr weiten Sinne – beobachtet oder wahrgenommen werden: Gäbe es keine Menschen mehr, so würde banal formuliert die Landform, die wir heute Mount Everest nennen, dennoch in der Welt existieren. Die Frage, welche Voraussetzungen für die Bestimmung einer Landform als Berg erfüllt sein müssen, oder dass die Höhe des Mount Everest anhand der über dem Meeresspiegel messbaren Struktur beschrieben wird, fallen hingegen in den Bereich institutioneller Tatsachen. Denn für institutionelle Tatsachen ist es konstituierend, dass Sie beobachtungsabhängig sind, als nur aus dem Grund in der Welt existieren, weil sie in einem sehr breiten Sinne von Menschen beobachtet oder wahrgenommen werden: Gäbe es keine Menschen mehr auf der Welt, dann würde der 50-Euro-Schein als gesellschaftliche Übereinkunft nicht mehr existieren, sondern nur noch ein bedrucktes Stück Papier. Zusammenfassend kann man sagen, rohe Tatsachen „sind in der Welt“ und institutionelle Tatsachen werden erst „in der Welt erschaffen“, weil wir als Kollektiv zunächst die Voraussetzungen dafür schaffen müssen.

Im Folgenden soll es darum gehen, darzulegen, wie Searle das Zustandekommen institutioneller Tatsachen erklärt, und zwar als ontologisch subjektive Phänomenen – d. h., dass diese nur aufgrund unseres subjektiven Dafürhaltens in der Welt existieren –, die aber gleichzeitig objektiv erfahrbar und erforschbar sind und eine kausale Wirkung auf die Welt haben – bspw. wenn ein bestimmtes Arial als Naturschutzgebiet deklariert wird und damit dessen menschliche Nutzung erheblichen Einschränkungen unterliegt.

Drei Voraussetzungen institutioneller Tatsachen

Searle erachtet für das Konzept institutioneller Tatsachen drei Elemente als notwendige Voraussetzung, nämlich kollektive Intentionalität, Funktionszuweisungen und konstitutive Regeln. Alle drei müssen nicht aufeinanderfolgend, sondern gemeinsam erfüllt werden.

Kollektive Intentionalität

Um kollektive Intentionalität in ihrer Rolle als Voraussetzung institutioneller Tatsachen zu beschreiben, muss zuerst geklärt werden, was Intentionalität selbst bedeutet. Man kann Intentionalität allgemein als die Art und Weise verstehen, wie sich der Geist auf die Welt bezieht, etwa indem jemand etwas hofft, wünscht, befürchtet oder behauptet.[5]

Kollektive oder geteilte Intentionalität meint dann, gemeinsam etwas zu hoffen, wünschen, befürchten oder behaupten und somit das Teilen von Hoffnungen, Wünschen, Befürchtungen oder Behauptungen mit anderen Individuen. Searle unterscheidet entsprechend zwischen individueller Intentionalität der Form „I intend“ und kollektiver Intentionalität der Form „we intend“[6] und geht davon aus, dass kollektive Intentionalität nicht auf individuelle Intentionalität reduziert werden kann. Searle verdeutlicht seine Annahme an einem Beispiel: In einem Orchester, das eine Symphonie spielt, beabsichtigt jedes Orchestermitglied die eigene Rolle individuell zu spielen. Gleichzeitig gäbe es jedoch die geteilte Absicht des gesamten Orchesters, gemeinsam die Symphonie zu spielen: „Even if by chance the individual members were all rehearsing their parts in a way that happened to be synchronized, so that it sounded like the symphony, there is still a crucial difference between the intentionality of collective cooperative behavior and that of individual behavior“.[7] Dieses Beispiel sei auch auf Sport-Teams oder politische Versammlungen übertragbar, das heißt wenn Menschen Hoffnungen, Wünschen, Befürchtungen oder Behauptungen miteinander teilen, sei dies ein Anzeichen kollektiver Intentionalität.

Funktionszuweisung

Als zweite Bedingung nennt Searle die Funktionszuweisung. Man kann Dingen Funktionen zuschreiben und somit etwas als etwas anderes benutzen, etwa einen Gegenstand aus Metall, um damit einen Nagel einzuschlagen, oder einen langen Stock, um eine Banane zu erreichen. Searle meint, dass die erste Ebene einer Funktionszuweisung auf einer intrinsischen Funktionalität basiert: man kann Dinge aufgrund bestimmter physikalischer Eigenschaften eine Funktion zuweisen, bspw. aufgrund der Beschaffenheit des Gegenstandes aus Metall und nicht aus Glass. Funktionszuschreibungen sind nach Searle immer beobachtungsabhängig, da zwar ihre physikalische Beschaffenheit Voraussetzung für die zugeschriebene Funktion ist, welche Funktion dem Objekt jedoch zugeschrieben wird, hängt von den Benutzer*innen ab. Man stelle sich einen Stuhl vor, so Searle: Dieser habe eine bestimmte Masse, Form und Molekularstruktur, die beobachtungsunabhängig ist. Die Funktionszuweisung jedoch, dass dieser Gegenstand gut dazu taugt, darauf zu sitzen, ist beobachtungsabhängig – man könnte ihm aufgrund seiner physikalischen Beschaffenheit auch die Funktion eines Tisches, Tritthockers oder Briefbeschwerers zuschreiben.[8] Ein weiteres Beispiel das Searle anbringt, ist, dass wir dem Herzen die Funktion zuschreiben, Blut zu pumpen, weil wir davon ausgehen, das Pumpen von Blut dem Leben und dem Überleben dient und damit ist diese Funktion, wie oben erwähnt, auch abhängig von dieser Annahme und dementsprechend beobachtungsabhängig in einem weiten Sinne.[9]

Konstitutive Regeln

Die dritte Voraussetzung für institutionelle Tatsachen ist für Searle das Aufstellen konstitutiver Regeln. Searle unterscheidet konstitutive Regeln von regulierenden Regeln. Regulierende Regeln regulieren einen bestimmten Ablauf oder zuvor vorherrschende Verhaltensweisen. Die Regel der Straßenverkehrsordnung etwa, die besagt, dass in Deutschland auf der rechten Fahrbahnseite zu fahren ist, ist insofern regulierend, als sie ein bereits bestehendes Verhalten – das Fahren auf der Fahrbahn – reguliert. Nicht alle Regeln sind regulativ, denn es gibt auch sogenannte konstitutive Regeln, die nicht nur regulieren, sondern konstituieren. Searle verdeutlicht den Unterschied anhand des Beispiels der Schachregeln. Schachregeln regulieren nicht ein bestehendes Verhalten, bei dem Personen Holzstücke auf einem Brett herumschieben, sondern bestimmen grundlegend, welche Spielfigur, welche Funktion hat, wie diese gezogen werden kann und was den Beginn und das Ende einer Partie bestimmt. Ohne diese Regeln kann nicht von einem Schachspiel die Rede sein, weshalb diese Regeln konstitutiv für Schach sind: Erst wenn bestimmte Regeln berücksichtigt werden und Abläufe passieren, kann man von Schach spielen reden.[10] Searle fasst diese konstitutiven Regeln in der Formel „X zählt als Y in (Kontext) K“ zusammen: „In the context of a chess game, such-and-such a move on the part of a certain shape of piece counts as a move by the knight. Such-and-such a position on the board counts as a check-mate“.[11]

Ein Modell institutioneller Tatsachen

Ein 50-Euro-Schein.

Das Vorhandensein der drei genannten Elemente kollektive Intentionalität, Funktionszuweisungen und konstitutive Regeln, erlaubt es nach Searle institutionelle Tatsachen zu erschaffen: In Verbindung mit Funktionszuweisungen erlauben konstitutive Regeln Searle zufolge, das Zustandekommen von Funktionen zweiter Ebene, nämlich unabhängig von ihrer physikalischen Beschaffenheit. Aufrechterhalten wird dieser Status wiederum aufgrund unseres kollektiven Dafürhaltens. Diese kollektiv anerkannten Statusfunktionen sind der Kern institutioneller Tatsachen, d. h. wie oben beschrieben, Tatsachen, die in ihrer Existenz (d. h. ontologisch) beobachtungsabhängig und damit subjektiv sind, jedoch mit Blick auf unser Wissen über sie (d. h. erkenntnistheoretisch) beobachtungsunabhängig und somit objektiv erfahrbar und erforschbar sind. Anhand des Beispiels eines 50-Euro-Scheins lässt sich dies gut illustrieren.

Im Kontrast zu konkreten Tauschmitteln wie Kaffee oder Warengeld wie Gold, hat ein 50-Euro-Schein keinen Eigenwert, der auf seine Materialität zurückzuführen ist. Gerade dies macht deutlich, dass es sich hierbei um eine institutionelle Tatsache im Sinne Searles handelt: a) es bedarf einer Funktionszuweisung unabhängig der physikalischen Beschaffenheit, da das Papier, aus dem der 50-Euro-Schein besteht, selbst nicht einem Wert von 50-Euro entspricht; b) diese wird entsprechend einer konstitutiven Regel formuliert, die sich auf einen bestimmten Kontext bezieht; und c) es bedarf dem kollektiven Dafürhalten, dass dieses Papier ein 50-Euro-Schein ist. Das bedeutet, dass sich als Antwort auf die Eingangsfrage, was genau an einem 50-Euro-Schein diesen eigentlich zu Geld macht, sagen lässt, dass das spezifisch bedruckte Papier (X) mit bestimmten Aufdrucken wie dem Euro-Zeichen und Sicherheitsmerkmalen wie einem bestimmten Wasserzeichen die Funktion von Geld bzw. Zahlungsmittel (Y) in einem bestimmten Kontext hat, wie der Europäischen Union bzw. den Vorgaben der Europäischen Zentralbank (K). Das Gesetz als konstitutive Regel definiert, was Zahlungsmittel sind und diese Funktion wird dem bedruckten Papier übertragen. Daher gilt die Akzeptanz von Euro-Banknoten als Zahlungsmittel beim Kauf bspw. einer Jacke innerhalb eines bestimmten Währungsraumes.

Klimawandel als rohe und institutionelle Tatsache

In der öffentlichen Debatte wird häufig eine naturwissenschaftlich-technische Perspektive auf den Klimawandel eingenommen, die den Klimawandel als rohe Tatsache begreift. Wenn man wissenschaftliche Tatsachen hingegen wie etwa Bruno Latour als Resultate langandauernder „Institutionalisierungsprozesse“[12] versteht, dann wird klar, dass der Gegenstand der Naturwissenschaften zwar (häufig) rohe Tatsachen sind, aber jede Form der Beschreibung diese in institutionelle Tatsachen überführt. Denn der Klimawandel kann als soziales Phänomen und gleichzeitig als beobachtungsunabhängiger Umwelt-Prozess verstanden werden. Entsprechend ließe sich zwischen rohen und institutionellen Tatsachenaspekten des Klimawandels unterscheiden: Etwa die weltweite, bodennahe Lufttemperatur oder das Abschmelzen von Gletschern einerseits als rohe Tatsachenaspekte, andererseits „Klima“ als Beschreibung des Zustands der Atmosphäre über einen mindestens 30-jährigen Zeitraum oder die Berichterstattung in der Presse mit dem sprachlichen Verweis auf die klimatische Veränderung als „Erderwärmung“, „Klimawandel“ oder „Klimakrise“ als institutionelle Tatsachenaspekte. Begreift man Tatsachen in dieser Wechselbeziehung, können institutionelle Tatsachen eindeutig nicht isoliert von rohen Tatsachen betrachtet werden, da Searle argumentiert, dass das Ziel institutioneller Strukturen darin besteht, rohe Tatsachen zu kontrollieren und sie sprachlich und damit gesellschaftlich verankert zu beschreiben. Denn eine rohe Tatsache macht uns nicht verantwortlich bzw. verpflichtet uns zu nichts, aber als institutionelle Tatsache verleiht sie uns Rechte und erlegt uns Pflichten auf und zwingt uns damit zum Handeln.[13]

Belege

  1. Siehe etwa Willke, Helmut (1997): Supervision des Staates. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  2. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 112.
  3. Searle, John R. (2006): Social ontology. In: Anthropological Theory 6(1), S. 12–29, hier S. 13.
  4. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 123.
  5. Vgl. Prechtl, Peter: [Lemma] Intentionalität. In: Prechtl, Peter; Burckhard, Franz-Peter (Hrsg.): Metzler Lexikon Philosophie. 3. Aufl., Stuttgart: J.B. Metzler (2008), S. 275-276.
  6. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 118.
  7. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 120.
  8. Vgl. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 116.
  9. Vgl. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 123.
  10. Vgl. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 123.
  11. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 124.
  12. Latour, Bruno (2002): Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 381.
  13. Vgl. Searle, John R. (1999): Mind, language, and society. Philosophy in the real world. New York: Basic Books, S. 131.



Autor*innen

Erstfassung: Serhat Dal am 28.02.2022. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der Diskussionsseite einsehbar.

Zitiervorlage:
Dal, Serhat (2022): Tatsache (sprachphilosophisch). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Tatsache (sprachphilosophisch), zuletzt abgerufen am 23.11.2024.