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*Behrendt, Gianna; Henkel, Anna (Hrsg.) (2018): ''10 Minuten Soziologie: Fakten''. Bielefeld: Transcript.
 
*Behrendt, Gianna; Henkel, Anna (Hrsg.) (2018): ''10 Minuten Soziologie: Fakten''. Bielefeld: Transcript.
 
*Dryzek, John S.; Noorgard, Richard B.; Schlossberg, David (Hrsg.) (2011): ''The Oxford Handbook of Climate Change and Society''. Oxford, New York: Oxford University Press.
 
*Dryzek, John S.; Noorgard, Richard B.; Schlossberg, David (Hrsg.) (2011): ''The Oxford Handbook of Climate Change and Society''. Oxford, New York: Oxford University Press.
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*Jebeile, Julie (2020): ''Values and Objectivity in the Intergovernmental Panel on Climate Change''. In: Social Epistemology 34(5), S. 453-468.
 
*Parker, Wendy (2018): ''Climate Science''. In: Zalta, Edward N. (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy. [https://plato.stanford.edu/archives/sum2018/entries/climate-science Online], zuletzt abgerufen am 11.04.2021.
 
*Parker, Wendy (2018): ''Climate Science''. In: Zalta, Edward N. (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy. [https://plato.stanford.edu/archives/sum2018/entries/climate-science Online], zuletzt abgerufen am 11.04.2021.
*Shapin, Steven (1994): ''A Social History of Truth. Civility and Science in Seventeenth-Century England''. Chicago: Chicago University Press.
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*Winsberg, Eric (2018): ''Philosophy and Climate Science''. Cambridge: Cambridge University Press.
  
  

Version vom 18. April 2021, 10:56 Uhr

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Wissen Intro

Watercolor-Daston.png Im Alltagsverständnis wird Wissen häufig als stabil und abgeschlossen begriffen, als etwas, was man sich aneignen und entsprechend abrufen kann und bei dem man entweder richtig oder falsch liegt. Gerade weil das Wissen über den Klimawandel im besten Fall handlungsorientierende Grundlage politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer oder ökologischer Entscheidungen ist, mag insbesondere in diesem Kontext das Berufen auf Fakten „zwar intuitiv überzeugen. Umso mühevoller ist es, sich bewusst zu machen, dass Fakten nur unter je eigenen Voraussetzungen als solche auftreten.“[1] Auf dieses Sapnnungsverhältnis verweist auch Lorraine Daston in dem Eingangszitat, wenn sie davon spricht, dass Fakten in ihrem Vorhandensein stabil sind, ihre Bedeutung aber weitaus weniger stabil oder klar ist.[2] Vor diesem Hintergrund geht es unter dem Titel „Wissen über den Klimawandel“ im Folgenden auch nicht um den Versuch eines Wissensberichts bekannter Tatsachen über den Klimawandel, sondern vielmehr darum, den Begriff unseres Wissens zu reflektieren und für den Diskurs um den Klimawandel zu schärfen.</ref>

Weiterführendes

  • Behrendt, Gianna; Henkel, Anna (Hrsg.) (2018): 10 Minuten Soziologie: Fakten. Bielefeld: Transcript.
  • Dryzek, John S.; Noorgard, Richard B.; Schlossberg, David (Hrsg.) (2011): The Oxford Handbook of Climate Change and Society. Oxford, New York: Oxford University Press.
  • Jebeile, Julie (2020): Values and Objectivity in the Intergovernmental Panel on Climate Change. In: Social Epistemology 34(5), S. 453-468.
  • Parker, Wendy (2018): Climate Science. In: Zalta, Edward N. (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Online, zuletzt abgerufen am 11.04.2021.
  • Winsberg, Eric (2018): Philosophy and Climate Science. Cambridge: Cambridge University Press.


Eine solche Reflexion eröffnet etwa den Blick auf in Konkurrenz stehende Wissensformen und Debatten um die Rechtfertigung und Begründung von Wissensansprüchen. Vor diesem Hintergrund wird aus dem vermeintlich stabilen und abgeschlossenen Wissensbegriff des Alltags ein komplexes Phänomen.

Aspekte der Wissensreflexion

Tatsachen

Für „Wissensgesellschaften“ [3] scheint es wie selbstverständlich, sich auf (wissenschaftliche) Tatsachen zu berufen. Doch bereits die Frage danach, was von wem und in welchen Kontexten als Tatsache anerkannt wird, eröffnet den Blick auf den Tatsachenbegriff selbst. Hier lassen sich etwa ein vorreflexiver Begriff aus der Alltagssprache, ein wissenschaftshistorischer Begriff der Wissenschaftsgeschichte, ein wissenssoziologischer Begriff aus der Wissenschaftsforschung und ein sozialontologischer Begriff aus der Sprachphilosophie unterscheiden.

Objektivität

Ähnlich selbstverständlich wie die Bezugnahme auf Fakten erscheint die Forderung nach Objektivität. Doch auch dieser Begriff ist bei genauerer Betrachtung weniger eindeutig, als unsere alltägliche Bezugnahm suggeriert. So zeigt Lorraine Daston in ihrer wissenschaftshistorischen Arbeit, dass bei der Bezugnahme auf Objektivität oft ganz verschiedene Bereiche miteinander vermengt werden: „Mühelos gleiten wir von Aussagen über die ‚objektive Wahrheit‘ einer wissenschaftlichen Behauptung hinüber zu solchen über die ‚objektiven Verfahren‘, die einen Befunde untermauern, und weiter zu solchen über die ‚objektive Haltung‘, die einen Forscher auszeichnet.“[4] Zudem zeige die historische Entwicklung des Objektivitätsbegriffs, dass – banal ausgedrückt – Objektivität nicht objektiv ist.

Tugenden der Wissensproduktion und -rezeption

„Solange Erkenntnis einen Erkennenden postuliert und solange der Erkennende als potentielle Hilfe oder Hürde für die Erwerbung von Erkenntnis gilt, wird sein Selbst ein erkenntnistheoretisches Thema sein.“ [5] Mit dieser Überlegung gelangt das erkennende Subjekt in den Blick. Damit es der Erkenntnis nicht als Hürde im Weg steht, lassen sich spezifische normative Tugenden formulieren, auf die sich das erkennende Subjekt bei seiner oder ihrer Tätigkeit berufen soll: Dies sind einerseits charakterbezogene Tugenden wie Geduld, Aufmerksamkeit, Genauigkeit, Beharrlichkeit oder Strenge, aber auch verfahrensbezogene Tugenden wie Objektivität, Exaktheit, Einfachheit, Konsistenz und Akkuratheit, die ihrerseits Einfluss auf das Auskommen des Erkenntnisprozesses haben. Die Philosophin Helen Longino stellt mit Blick auf epistemische Tugenden heraus, dass es sich bei der Einnahme dieser um Entscheidungen des erkennenden Subjekts handelt und dass zwar ein traditionsbedingter, jedoch kein unumstößlicher Kanon bestehe. Daraus folgert sie, dass der Kanon durchaus zur Disposition steht und entsprechend erweitert oder verändert werden könne und schlägt Tugenden wie Heterogenität, methodische Neuartigkeit, die Berücksichtigung der Komplexität von Zusammenhängen oder die Dezentralisierung von Machtverhältnissen als Tugenden vor.[6] Der Philosoph Don Fallis stellt zudem heraus, dass sich Tugenden nicht nur in der Wissensproduktion reflektieren lassen, sondern auch die erkenntnistheoretischen Tugenden der Rezipierenden von Wissen reflektieren lassen.


Personen Artikel

Bruno Latour

Paul Reszke (* 1983) ist ein an der Universität Kassel lehrender und forschender Sprachwissenschaftler sowie Teil des Herausgeber*innenteams des Living Handbooks. Reszke forscht aus einer konstruktivistischen und pragmasemiotischen Perspektive zur Entstehung von Wissen in der Gesellschaft, u. a. durch journalistische Berichterstattung, (Populär-)Wissenschaft[1] sowie Populärkultur[2][3]. Von ihm untersuchte Themenfelder sind u. a. der Diskurs über Schulamokläufe[4], der Themenkomplex Klimawandel sowie die Wissensdomäne Kunst/Kunstkommunikation[5] (mit verstärktem Fokus auf die Kasseler Kunstgroßausstellungsreihe documenta).

Lorraine Daston

Paul Reszke (* 1983) ist ein an der Universität Kassel lehrender und forschender Sprachwissenschaftler sowie Teil des Herausgeber*innenteams des Living Handbooks. Reszke forscht aus einer konstruktivistischen und pragmasemiotischen Perspektive zur Entstehung von Wissen in der Gesellschaft, u. a. durch journalistische Berichterstattung, (Populär-)Wissenschaft[1] sowie Populärkultur[2][3]. Von ihm untersuchte Themenfelder sind u. a. der Diskurs über Schulamokläufe[4], der Themenkomplex Klimawandel sowie die Wissensdomäne Kunst/Kunstkommunikation[5] (mit verstärktem Fokus auf die Kasseler Kunstgroßausstellungsreihe documenta).

Rosi Braidotti

Braidotti an der Universität Utrecht, 2013.

Rosi Braidotti (* 1954) ist eine italienische Philosophin. Seit 2002 hat er die Professur für History of Science, Technology and Environment an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm inne und ist seit 2016 Direktor des Resource Extraction and Sustainable Arctic Communities-Exzellenzzentrums (REXSAC) in Stockholm. Sörlin forscht u. a. zur Rolle und Funktion von Wissen in umweltorientierten, modernen Gesellschaften. In diesem Feld hat er etwa zur Entstehung und Veränderung von Umweltexpertisen,[7] zur historischen Entwicklung des Konzepts „Environment“[8] und zur ökologischen Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften[9] publiziert.

Rosi Braidotti im Living Handbook

Belege

  1. Hornuff, Daniel (2017): Wissenschaft im postfaktischen Zeitalter. Sieben Thesen. In: ZiF-Mitteilungen 22(3), S. 68. Online, zuletzt abgerufen am 18.03.2021.
  2. Daston, Lorraine (1994): Marvelous Facts and Miraculous Evidence in Early Modern Europe. In: Chandler, James; Davidson, Arnold I.; Harootunian, Harry D. (Hrsg.): Questions of evidence: proof, practice and persuasion across the disciplines, Chicago: Chicago University Press, S. 243-274, hier S. 243.
  3. Siehe etwa Willke, Helmut (1997): Supervision des Staates. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  4. Daston, Lorraine (2001): Objektivität und die Flucht aus der Perspektive. In: Daston, Lorraine (Hrsg.): Wunder, Beweise und Tatsachen, Frankfurt: Fischer, S. 127-156, hier S. 127.
  5. Daston, Lorraine; Galison, Peter (2007): Objektivität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 43.
  6. Vgl. Longino, Helen (1994): In Search of Feminist Epistemology. In: The Monist 77(4), S. 472-485, hier S. 476.
  7. Vgl. etwa Sörlin, Sverker (2017): Stratigraphy for the Renaissance: Questions of Expertise for „the Environment“ and „the Anthropocene“. In: The Anthropocene Review 4(3), S. 246-258. Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2021. Sörlin, Sverker (2013): Reconfiguring Environmental Expertise. In: Environmental Science and Policy Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2021.
  8. Sörlin, Sverker (2021): The Environment as Seen Through the Life of a Journal: Ambio 1972–2022. In: Ambio Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2021. Warde, Paul; Libby, Robin; Sörlin, Sverker (2018): The Environment : A History of the Idea. Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press.
  9. Vgl. etwa Sörlin, Sverker (2018): Humanities of Transformation: From Crisis and Critique towards the Emerging Integrative Humanities. In: Research Evaluation 27(4), S. 287-297. Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2021. Sörlin, Sverker (2016): Frost on Humanities and Social Sciences?: Understanding the Climate Change in North American Knowledge Landscapes. In: Sielke, Sabine; Kloeckner, Christian; Knewitz, Simone (Hrsg.): Knowledge Landscapes North America, Heidelberg: Universitätsverlag, S. 45-66. Sörlin, Sverker (2012): Environmental Humanities: Why Should Biologists Interested in the Environment Take the Humanities Seriously?. In: BioScience 62(9), S. 788-789. Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2021.