Benutzer: Martin Böhnert/Werkstatt

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Dieser Beitrag ist kein inhaltlicher Bestandteil des Living Handbooks, sondern die persönliche Werkstatt-Seite von Nutzer*in Martin Böhnert. Bitte nehmen Sie keine Änderungen an dieser Seite vor, ohne dies zuvor mit Martin Böhnert abgesprochen zu haben.


Objekt 50 Climate Thinking

Unter der internen Katalogsbezeichnung Objekt 50 wird das Projekt Climate Thinking im Rahmen der Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“ im Stadtmuseum Kassel (2021/22) geführt. Es ist das fünfzigste und damit jüngste vorgestellte Projekt der Ausstellung und wurde von Felix Böhm, Martin Böhnert, Anna Meywirth sowie Paul Reszke in Zusammenarbeit mit dem Team um die Ausstellungskuratorin Martina Sitt entwickelt.

Ausstellungsobjekte

Objekt 50 umfasst vier Ausstellungsstücke: einen Eisbären aus Plüsch, eine Topfpflanze, einen orangefarbenen Kapuzenpullover, die jeweils in XxX großen Vitrinen ausgestellt sind, und das Living Handbook in Form eines Tablets.

Hintergrund

Die Installation „Objekt 50 Climate Thinking“ soll einen anschaulichen Einblick in den Ansatz des Lehr- und Forschungsprojekts Climate Thinking am Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Kassel bieten, die Klimakrise als gesamtkulturelles Phänomen und nicht nur als naturwissenschaftliches Ereignis zu begreifen. Dass die ausgewählten Ausstellungsstücke hierbei nicht unmittelbar und auch nicht in gleichem Maße mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen sind, ist durchaus beabsichtigt. Der intuitive Blick weckt womöglich dennoch erste Assoziationen, welcher die Alltagsobjekte Plüschtier, Pullover und Pflanze bereits in komplexere Bedeutungszusammenhänge stellt – der Eisbär als Leidtragender der Klimakrise, die Topfpflanze als Stellvertreter der Natur, der Hoodie als Verweis auf die Ausmaße der globalen Textilproduktion. Bereits durch diese intuitive Wahrnehmung werden die Ausstellungsobjekte kontextualisiert und so nicht mehr ausschließlich in ihrer materiellen Beschaffenheit erfahren, sondern in soziokulturellen Dimensionen verstanden. Diese intuitive Wahrnehmung wird durch die Begleittexte an jeweils drei Vitrinenseiten weiter geschärft, indem hier beispielhaft reflektiert wird, wie über das Objekt im Kontext des Klimawandels gesprochen, von ihm erzählt oder über ihn nachgedacht werden kann – gemäß der drei zentralen Perspektiven des Projekts Climate Thinking. Das vierte Ausstellungobjekt ist der Zugriff auf das Living Handbook via Tablet, welches eine vertiefte Beschäftigung mit dem Projekt direkt vor Ort ermöglicht.

Exponatsbeschriftung

Climate Thinking – Ein Lehr- und Forschungsprojekt des FB 02 reflektiert den Klimawandel Wer spricht wie über den Klimawandel? Wie wird von ihm erzählt? Wie wird über ihn nachgedacht? Diesen drei Fragen gehen Forschende und Studierende der Geistes- und Kulturwissenschaften der Uni Kassel nach. Die Ergebnisse des transdisziplinären Lehr- und Forschungsprojekts Climate Thinking werden seit 2020 digital im projekteigenen Living-Handbook gebündelt und allgemein zugänglich gemacht. Der Anspruch des Projekts ist, den Klimawandel als gesamtkulturelles Phänomen zu beleuchten und nicht nur als naturwissenschaftliches Ereignis. Hierdurch geraten neue Aspekte in den Blick, wie die Rolle von Wissen und Wissenschaft in der Klimakrise, die Natur als Hauptfigur in erzählenden Formaten (Texten, Theater, Medien) oder die gesellschaftlich-aktivistische Kritik an der (Klima-)Politik (Rezo, Fridays for Future). Das Projekt wurde von Dr. Felix Böhm, Dr. Martin Böhnert, Dr. Paul Reszke und Murat Sezi initiiert. Aktuell gehören zur Arbeitsgruppe:

  • Tamara Bodden
  • Dr. Felix Böhm
  • Dr. Martin Böhnert
  • Dr. Dagobert Höllein
  • Nicole Kasper
  • Dr. Nils Lehnert
  • Philippe-André Lorenz
  • Dr. des. Anna Meywirth
  • Dr. Paul Reszke
  • Murat Sezi
  • Jan Sinning

Weiterführendes

Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“

Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Universität Kassel, findet beginnend vom 14.10.2021 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Kassel statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird anhand von 50 Ausstellungsobjekten „ein halbes Jahrhundert Geschichte“[1] der Universität Kassel erzählt.


Objekt 50a Eisbär

Unter der internen Katalogsbezeichnung Objekt 50a Eisbär wird der ausgestellte Plüsch-Eisbär im Rahmen der Ausstellung „Wunderkammer Modern. 50 Jahre – 50 Objekte“ im Stadtmuseum Kassel (2021/22) geführt. Es ist Teil der Objekt 50 Installation und wurde von Felix Böhm, Martin Böhnert, Anna Meywirth und Paul Reszke in Zusammenarbeit mit dem Team um die Ausstellungskuratorin Martina Sitt entwickelt.

Ausstellungsobjekt

„Objekt 50a Eisbär” umfasst einen Plüsch-Eisbären aus der WWF-Plüschkollektion, der in einer XxX großen Vitrine ausgestellt wird. An drei der vier Vitrinenseiten befinden sich Texttafeln, welche das Objekt jeweils unter einer anderen Überschrift – „Kuscheltier in Gefahr“, „Eisbär als Dramaqueen“ und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ – perspektivieren.

Hintergrund

Wie auch bei den Objekten 50b Topfpflanze und 50c Hoodie geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während die Ansicht des Objekts durch die Vitrinenseite ohne Begleittext sozusagen den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln an den drei anderen Seiten das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Kuscheltier in Gefahr“ (Über Klimawandel Sprechen), „Eisbär als Dramaqueen“ (Vom Klimawandel erzählen) und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ (Über Klimawandel nachdenken). Dass wir heute Bilder von Eisbären auf schmelzenden Eisschollen nicht mehr mit bestimmten Tieren, bestimmten Orten oder einer bestimmten Zeit verbinden, oder das ausgestellte Kuscheltier nicht mehr wie einen Teddybären bloß als Kuscheltier betrachten, sondern es fast unmöglich scheint, Bilder und Kuscheltier nicht augenblicklich auch im Kontext der Klimakrise zu lesen,[2] hängt stark damit zusammen, wie über Eisbären gesprochen, von ihnen erzählt und über sie nachgedacht wird. Diese Zugänge in ihrer Verwobenheit zu reflektieren, also etwa unser häufig durch Dokumentarfilme vermitteltes Wissen über Eisbären und unser Rollenverständnis von Eisbären in unseren Erzählungen – von der Coca-Cola Werbefigur über Hans de Beers Kinderbuchfigur Lars, der Boulevard-Sensation Knut bis zum hoffnungsstiftenden Auftritt eines Eisbären in Bong Joon Hos Film Snowpiercer –, erlaubt es uns, unser zugrundeliegendes Naturverständnis zu hinterfragen, unsere Vorstellungen und Erzählmuster kritisch zu betrachten oder unseren ethisch-moralischen Umgang mit diesen bedrohlichen und gleichsam bedrohten Tieren in den Blick zu nehmen.[3] Hierdurch werden Eisbären als in ökologisch, gesellschaftlich, politisch, ökonomisch, technisch und kulturell verankerten Zusammenhängen verstanden, welche weit über die natürliche Erfassung als Ursus maritimus hinausreichen.

Exponatsbeschriftung

Kuscheltier in Gefahr (Über Klimawandel Sprechen)

Das Wort ‚Eisbär‘ bezeichnet einen „arktische[n] Bär[en] mit kräftigem Körperbau und weißem bis gelblich weißem Fell“. Die Duden-Definition stellt also sein Äußeres ins Zentrum. Das Sprechen über dieses Tier folgt so sehr unserer visuellen Wahrnehmung, dass bereits Kinder es von seinen Artverwandten unterscheiden können. Dokumentarfilme und Zeitungsreportagen ergänzen diese Perspektive um zahlreiche Attribute. Sprache und Bilder stilisieren den Eisbären zu einem blutrünstigen Raubtier, einem liebevollen Familienmenschen, einem Objekt der Forschung oder auch als einen majestätisch machtvollen Herrscher der Arktis. Als Bedrohung und Bedrohtes zugleich, die Gefahr mit Kuscheltierqualitäten, erscheint er als Ikone der Klima-Berichterstattung regelrecht prädestiniert. Denn was wäre spannender, als mit einem Eisbären mitzufiebern, ob er die nächste Scholle noch erreichen wird – oder nicht?
Text: Dr. Felix Böhm

Eisbär als Dramaqueen (Vom Klimawandel erzählen)

Mit dem Eisbären erhalten die Daten und Fakten der Klimakatastrophe ein Gesicht und eine dramatische Geschichte zugleich, die Jung wie Alt eindringlich erzählt werden muss: Wenn wir nichts gegen die Erderwärmung tun, verliert der niedliche Eisbär seinen Lebensraum. Er stirbt aus. „Ohne Eis kein Eisbär“. Dieser Titel von Kristina Heldmanns „Klimawissen“-Kindersachbuch (2020) wählt den König der Arktis als Aushängeschild, als Narrativ der Klimathematik, ebenso wie das in Kassel 2020 uraufgeführte Kindertheaterstück „Bär im Universum“ von Dea Loher, in welchem dem tragischen Artensterben eine augenzwinkernde Lösung entgegengesetzt wird. Ob der letzte Eisbär Benny durch die Liaison mit Braunbärin Isabella sein Aussterben verhindern kann? Nur auf den ersten Blick erscheint das symbolträchtige Tier besonders ‚kindgerecht‘, auf den zweiten Blick wirkt das Narrativ bei Erwachsenen genauso.
Text: Dr. des. Anna Meywirth

Schmeckt nicht, gibt's nicht? (Über Klimawandel nachdenken)

Der Eisbär isst als einziger Vertreter der Familie der Bären mehr Fleisch als Pflanzen, besonders Robbenbabys. Dass es das Eisbärbaby Knut auf das Titelbild der Vanity Fair brachte,[4] liegt daher wahrscheinlich nicht an seiner Ernährung. Vielmehr symbolisieren Eisbären wie keine anderen Tiere die negativen Folgen des Klimawandels. Was wollen und sollen Menschen zu ihrem Schutz unternehmen? Diskutierte Maßnahmen erfordern starke Eingriffe in die Natur: Fütterungsstationen, Aufzuchtstationen für Eisbärenbabys oder das Erschießen hungerkranker Exemplare werden absehbar zu Verhaltensänderungen bei den Bären führen. Ist es im Sinne der artgerechten Lebensweise wünschenswert, Eisbären mit auch gefährdeten, von Menschen getöteten Robben zu füttern oder notgedrungen – wie in Zoos – vor allem mit Fisch? Sollte man gar die Zoohaltung ausbauen, solange Eisbären dort zumindest lebenswerte Leben leben?[5]
Text: Dr. Jens Schnitker-von Wedelstaedt

Weiterführendes

Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“

Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Universität Kassel, findet beginnend vom 14.10.2021 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Kassel statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird anhand von 50 Ausstellungsobjekten „ein halbes Jahrhundert Geschichte“[6] der Universität Kassel erzählt.


Objekt 50b Topfpflanze

Unter der internen Katalogsbezeichnung Objekt 50b Topfpflanze wird die ausgestellte Topfpflanze im Rahmen der Ausstellung „Wunderkammer Modern. 50 Jahre – 50 Objekte“ im Stadtmuseum Kassel (2021/22) geführt. Es ist Teil der Objekt 50 Installation und wurde von Felix Böhm, Martin Böhnert, Anna Meywirth und Paul Reszke in Zusammenarbeit mit dem Team um Ausstellungskuratorin Martina Sitt entwickelt.

Ausstellungsobjekt

„Objekt 50b Topfpflanze” umfasst eine NAME in einem x-farbigem Übertopf, die in einer XxX großen Vitrine ausgestellt wird. An drei der vier Vitrinenseiten befinden sich Texttafeln, welche das Objekt jeweils unter einer anderen Überschrift – „Asketische Topfpflanze“, „Bühne frei für die Natur“ und „Apathische Topfpflanze“ – perspektivieren.

Hintergrund

Wie auch bei den Objekten 50a Eisbär und 50c Hoodie geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während die Ansicht des Objekts durch die Vitrinenseite ohne Begleittext sozusagen den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln an den drei anderen Seiten das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Asketische Topfpflanze“ (Über Klimawandel Sprechen), „Bühne frei für die Natur“ (Vom Klimawandel erzählen) und „Apathische Topfpflanze“ (Über Klimawandel nachdenken). Hierdurch soll gezeigt werden, dass xyz.

Exponatsbeschriftung

Asketische Topfpflanze (Über Klimawandel Sprechen)

DWenn man mit Pflanzen spricht, wachsen sie besser – sagt man so. Menschen assoziieren mit kommunikationsfähigen Lebewesen oft eine höhere Form der Intelligenz. Man könne noch einiges von den Bienen lernen – wird auch gern gesagt. In Redewendungen zeigen sich Denkgewohnheiten. Im Wort Naturschutz steckt ein Bild: der Mensch als verantwortungsvoller Betreuer der hilflosen Natur. Aber wer die Natur sprachlich als schutzbedürftig zeichnet, positioniert sich selbst außerhalb von ihr. Was können wir von der Pflanze lernen? Sie nimmt stumm hin, dass sie hier verdursten wird. Ihre älteren Geschwister lassen sich ebenso widerstandslos abholzen. Bis das Klima kippt. Das nehmen die allermeisten Menschen auch schweigend hin. Wenn dann doch einige von öko-suizidalem Verhalten sprechen – Mensch und Natur zusammen denken – warum ernten sie dann einen Shitstorm?
Text: Dr. Paul Reszke

Bühne frei für die Natur (Vom Klimawandel erzählen)

Kann die Natur selbst den Klimawandel erzählen? Ist es angemessen, dass bei diesem Thema Menschen die Protagonisten bleiben? Kann die Natur selbst zum Protagonisten werden? Derartige Fragen griff das Langzeittheaterstück „Die Welt ohne uns“ (2010–2015) auf und setzte Pflanzen als Repräsentanten des Klimawandels ein. Als Teil der Performance wurde eine Topfpflanze in einer Mikrowelle zum Vertrocknen gebracht, um die Auswirkungen der Klimaerwärmung zu inszenieren. Die Folge: Empörung und Ergriffenheit beim Publikum. Andere mediale Beschäftigungen mit der Pflanzenwelt setzen ebenfalls auf Emotionalisierung und Ästhetisierung, um der Natur eine Stimme zu verleihen, wie etwa bei Mobbing-Experimenten mit Topfpflanzen (IKEA, Galileo) oder in der Dokumentation „Das geheime Leben der Bäume“. Können Topfpflanzen oder ganze Wälder mittels Emotionen erzählen?
Text: Leona Knobel

Apathische Topfpflanze (Über Klimawandel nachdenken)

Vielleicht sind Topfpflanzen das Sinnbild für den menschlichen Trieb, sich die Natur einzuverleiben. Wir leben in modernen Gebäuden und wollen dennoch unser Leben mit Pflanzen dekorieren. Es stellt sich die Frage, was wir eigentlich über Pflanzen wissen: Können sie untereinander kommunizieren, oder sogar mit uns? Haben sie Bewusstsein? Empfinden sie Schmerz? Was unterscheidet Pflanzen von Tieren – und von Menschen? Stört es Sie, dass diese Pflanze während der Ausstellung sterben wird, und wenn nicht, warum? Wir haben ein schlechtes Gewissen, wenn wir vergessen, unsere Zimmerpflanzen zu wässern, doch wir leiten daraus nicht ab, dass Pflanzen moralisch relevant sein sollten. Unser Wissen über die Natur beeinflusst unseren Umgang mit ihr. Aber jeder Versuch, diese zu verstehen, birgt die Gefahr, sie aus unserem menschlichen Blickwinkel zu überschätzen – oder zu unterschätzen?
Text: Dr. Martin Böhnert & Leona Knobel

Weiterführendes

Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“

Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Universität Kassel, findet beginnend vom 14.10.2021 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Kassel statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird anhand von 50 Ausstellungsobjekten „ein halbes Jahrhundert Geschichte“[7] der Universität Kassel erzählt.


Objekt 50c Hoodie

Unter der internen Katalogsbezeichnung Objekt 50c Hoodie wird der ausgestellte Kaputzenpullover im Rahmen der Ausstellung „Wunderkammer Modern. 50 Jahre – 50 Objekte“ im Stadtmuseum Kassel (2021/22) geführt. Es ist Teil der Objekt 50 Installation und wurde von Felix Böhm, Martin Böhnert, Anna Meywirth und Paul Reszke in Zusammenarbeit mit dem Team um Ausstellungskuratorin Martina Sitt entwickelt.

Ausstellungsobjekt

„Objekt 50c Hoodie” umfasst einen orangefarbenen Kaputzenpullover aus 80 % Baumwolle und 20 % Polyester mit dem Aufdruck „Architects – Brighton Post Metalcore EST-04“, der in einer XxX großen Vitrine ausgestellt wird. An drei der vier Vitrinenseiten befinden sich Texttafeln, welche das Objekt jeweils unter einer anderen Überschrift – „Hoodie der Zerstörung“, „Schreien gegen den Klimawandel“ und „Anatomie eines Hoodies“ – perspektivieren.

Hintergrund

Wie auch bei den Objekten 50a Eisbär und 50b Topfpflanze geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während die Ansicht des Objekts durch die Vitrinenseite ohne Begleittext sozusagen den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln an den drei anderen Seiten das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Hoodie der Zerstörung“ (Über Klimawandel Sprechen), „Schreien gegen den Klimawandel“ (Vom Klimawandel erzählen) und „Anatomie eines Hoodies“ (Über Klimawandel nachdenken). Hierdurch soll gezeigt werden, dass xyz.

Exponatsbeschriftung

Hoodie der Zerstörung (Über Klimawandel Sprechen)

Wie wichtig ist in der Umwelt- und Klimapolitik eigentlich der Dresscode? Über die Grünen wurde gelacht, als sie in den 1980ern mit selbstgestrickten Wollpullovern in den Bundestag einzogen. Greta Thunbergs gelber Regenmantel prägte die mitteleuropäische Herbstmode auch abseits von Fridays for Future. Der Influencer Rezo entschied sich wiederum für einen orangefarbenen Hoodie, als er 2019 im Youtube-Video „Die Zerstörung der CDU.“ dazu aufforderte, bei der Europawahl nicht die CDU, CSU, SPD und AfD zu unterstützen. Mit heute über 18 Millionen Aufrufen produzierte er damit den meistbeachteten Kommentar zur deutschen Klimapolitik. Die Berufspolitiker*innen schäumten vor Wut, diskutierten über neue Regeln für das Internet, fanden aber keine kongeniale Antwort. Was wäre gewesen, hätte Rezo stattdessen im Anzug eine Rede gehalten? Wer hätte ihm dann zugehört? Niemand? Vielleicht.
Text: Dr. Felix Böhm

Schreien gegen den Klimawandel (Vom Klimawandel erzählen)

Vom Klimawandel erzählen können nicht nur Literatur und Film, sondern auch andere ‚Medien‘ wie dieser Hoodie: Die Aufschrift verweist auf die britische Band Architects. In ihrer Musik verbindet die Band Hardcore-Punk und dessen oft politische Texte mit den wütenden Gitarrenriffs von Metal. So auch auf dem Album „All Our Gods Have Abandoned Us“ (2016), das die Klimakatastrophe als Ende der Welt, wie wir sie kennen, zeichnet. Die Platte, kommentierte Der Standard, „ist in erster Linie ein lautes und brachiales Statement gegen die traurige Zerstörung der Umwelt, sie ist auch ein Plädoyer dafür, den Klimawandel gefälligst ernst zu nehmen.“[8] Ist vielleicht die herausgeschriene Wut hinter der Frustration in Zeilen wie „Maybe we've passed the point of no return/Maybe we just wanna watch the world burn“ („Deathwish“) die einzig angemessene Art vom Klimawandel zu erzählen?
Text: Jan Sinning

Anatomie eines Hoodies (Über Klimawandel nachdenken)

Das Objekt in der Vitrine ist mehr als ein orangefarbenes Textilprodukt aus 80% Baumwolle und 20% Polyester: Ein tragbares Zeichen der Verbundenheit mit einer klimaaktivistischen Band; ein Verweis auf eine mediale Debatte über den Klimawandel im Vorfeld der Europawahl 2019; als Karnevalsverkleidung des Vorsitzenden der Jungen Union im Jahr 2020 ein polemischer Kommentar zu jener Debatte. Wir können Sachen eine neue Wirklichkeit verleihen, ohne die Sachen selbst zu verändern. Man sagt, dass wir dabei aus rohen Tatsachen soziale machen.[9] Es ist ein selbstverständlicher Teil unserer Lebenswelt, wenn wir buntbedrucktes Papier kollektiv als Geld anerkennen, um individuell Benzin damit zu bezahlen, oder wenn aus artikulierten Schallwellen im politischen Diskurs ein Klimaabkommen wird. Können wir der rohen Tatsache ‚globale Erwärmung‘ entgehen, ohne sie mithilfe von sozialen Tatsachen zu bändigen?
Text: Dr. Martin Böhnert

Weiterführendes

Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“

Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Universität Kassel, findet beginnend vom 14.10.2021 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Kassel statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird anhand von 50 Ausstellungsobjekten „ein halbes Jahrhundert Geschichte“[10] der Universität Kassel erzählt.



LH als Forschungsprojekt

Zugang der einzelnen Disziplinen, d.h. eren Methoden, Theorien und Begriffe nutzen um Diskurs zu durchdringen und begrifflich auf neue Weise greifbar machen.

Veröffentlichungen im Rahmen von Climate Thinking

  • Höllein, Dagobert/Wieders-Lohéac, Aline (Hrsg.) (i.V.): Fridays for Future. Sprachliche Perspektiven auf eine globale Bewegung. Tübingen: Narr.
  • Böhm/Reszke
  • Böhnert/Reszke

Vorlesungsreihe 2021 LISTE

Vorstellung des Forschungsprojekts LISTE




Teil der Reihe
Wissen in der Klimakrise
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Tatsache (Alltagssprache)
Tatsache (Wissenschaftsgeschichte)
Tatsache (Wissenschaftsforschung)
Tatsache (Sprachphilosophie)
Objektivität

Wissen Intro

Eine solche Reflexion eröffnet etwa den Blick auf in Konkurrenz stehende Wissensformen und Debatten um die Rechtfertigung und Begründung von Wissensansprüchen. Vor diesem Hintergrund wird aus dem vermeintlich stabilen und abgeschlossenen Wissensbegriff des Alltags ein komplexes Phänomen.


Aspekte der Wissensreflexion

Tatsachen

Für „Wissensgesellschaften“ [11] scheint es wie selbstverständlich, sich auf (wissenschaftliche) Tatsachen zu berufen. Doch bereits die Frage danach, was von wem und in welchen Kontexten als Tatsache anerkannt wird, eröffnet den Blick auf den Tatsachenbegriff selbst. Hier lassen sich etwa ein vorreflexiver Begriff aus der Alltagssprache, ein wissenschaftshistorischer Begriff der Wissenschaftsgeschichte, ein wissenssoziologischer Begriff aus der Wissenschaftsforschung und ein sozialontologischer Begriff aus der Sprachphilosophie unterscheiden.

Objektivität

Ähnlich selbstverständlich wie die Bezugnahme auf Fakten erscheint die Forderung nach Objektivität. Doch auch dieser Begriff ist bei genauerer Betrachtung weniger eindeutig, als unsere alltägliche Bezugnahm suggeriert. So zeigt Lorraine Daston in ihrer wissenschaftshistorischen Arbeit, dass bei der Bezugnahme auf Objektivität oft ganz verschiedene Bereiche miteinander vermengt werden: „Mühelos gleiten wir von Aussagen über die ‚objektive Wahrheit‘ einer wissenschaftlichen Behauptung hinüber zu solchen über die ‚objektiven Verfahren‘, die einen Befunde untermauern, und weiter zu solchen über die ‚objektive Haltung‘, die einen Forscher auszeichnet.“[12] Zudem zeige die historische Entwicklung des Objektivitätsbegriffs, dass – banal ausgedrückt – Objektivität nicht objektiv ist.

Tugenden der Wissensproduktion und -rezeption

„Solange Erkenntnis einen Erkennenden postuliert und solange der Erkennende als potentielle Hilfe oder Hürde für die Erwerbung von Erkenntnis gilt, wird sein Selbst ein erkenntnistheoretisches Thema sein.“ [13] Mit dieser Überlegung gelangt das erkennende Subjekt in den Blick. Damit es der Erkenntnis nicht als Hürde im Weg steht, lassen sich spezifische normative Tugenden formulieren, auf die sich das erkennende Subjekt bei seiner oder ihrer Tätigkeit berufen soll: Dies sind einerseits charakterbezogene Tugenden wie Geduld, Aufmerksamkeit, Genauigkeit, Beharrlichkeit oder Strenge, aber auch verfahrensbezogene Tugenden wie Objektivität, Exaktheit, Einfachheit, Konsistenz und Akkuratheit, die ihrerseits Einfluss auf das Auskommen des Erkenntnisprozesses haben. Die Philosophin Helen Longino stellt mit Blick auf epistemische Tugenden heraus, dass es sich bei der Einnahme dieser um Entscheidungen des erkennenden Subjekts handelt und dass zwar ein traditionsbedingter, jedoch kein unumstößlicher Kanon bestehe. Daraus folgert sie, dass der Kanon durchaus zur Disposition steht und entsprechend erweitert oder verändert werden könne und schlägt Tugenden wie Heterogenität, methodische Neuartigkeit, die Berücksichtigung der Komplexität von Zusammenhängen oder die Dezentralisierung von Machtverhältnissen als Tugenden vor.[14] Der Philosoph Don Fallis stellt zudem heraus, dass sich Tugenden nicht nur in der Wissensproduktion reflektieren lassen, sondern auch die erkenntnistheoretischen Tugenden der Rezipierenden von Wissen reflektieren lassen.


Personen Artikel

Armin Nassehi

Armin Nassehi (* 1960) ist ein deutscher Soziologe und Professor für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der Ludwig-Maximillians-Universität München. Nassehi forscht und publiziert zu

Bruno Latour

Bruno Latour (* 1947) ist ein französischer Soziologe, Wissenschaftshistoriker und Philosoph. Latour ist emeritierter Professor an der Sciences Po, Paris und arbeitete zuvor u. a. am Centre de Sociologie de l'Innovation, Mines ParisTech, sowie der London School of Economics und der University of Amsterdam. Zudem war Latour als Kurator der Ausstellungen Iconoclash (2002) und Making Things Public (2005) am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie tätig.

  1. Sitt, Martina (2020): Sonderausstellung "Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte". Universität Kassel im Stadtmuseum. In: Universität Kassel. Online, zuletzt abgerufen am 09.08.2021.
  2. Born, Dorothea (2019): Bearing Witness? Polar Bears as Icons for Climate Change Communication in National Geographic. In: Environmental Communication 13(5), S. 649-663. Online, zuletzt abgerufen am 23.08.2021.
  3. Vgl. hierzu u. a. Nussbaum, Martha (2004): Die Grenzen der Gerechtigkeit: Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit. Berlin: Suhrkamp. und Horta, Oscar (2013): Zoopolis, Interventions and the State of Nature. In: Law, Ethics and Philosophy 1(1), S. 113-125.
  4. Mark, Oliver (2007): Cover Foto. In: Vanity Fair 1(14), S. Cover.
  5. Gerade auf Homepages von Zoos wird gern die Behauptung zitiert, dass Eisbären dort mitunter doppelt so lang wie in der Wildnis lebten. Als Quelle wird in der Regel angeführt: Wrigley, Robert E. (2008): The Oldest Living Polar Bear. In: Polar Bears International 15(2), S. 4-5.
  6. Sitt, Martina (2020): Sonderausstellung "Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte". Universität Kassel im Stadtmuseum. In: Universität Kassel. Online, zuletzt abgerufen am 09.08.2021.
  7. Sitt, Martina (2020): Sonderausstellung "Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte". Universität Kassel im Stadtmuseum. In: Universität Kassel. Online, zuletzt abgerufen am 09.08.2021.
  8. Dorfi, Gerhard (2017): Architects: Die Wut und das moderne Leben. In: Der Standard. Online, zuletzt abgerufen am 26.08.2021.
  9. Vgl. hierzu Searle, John (2010): Making the social world. The structure of human civilization. Oxford: Oxford University Press.
  10. Sitt, Martina (2020): Sonderausstellung "Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte". Universität Kassel im Stadtmuseum. In: Universität Kassel. Online, zuletzt abgerufen am 09.08.2021.
  11. Siehe etwa Willke, Helmut (1997): Supervision des Staates. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  12. Daston, Lorraine (2001): Objektivität und die Flucht aus der Perspektive. In: Daston, Lorraine (Hrsg.): Wunder, Beweise und Tatsachen, Frankfurt: Fischer, S. 127-156, hier S. 127.
  13. Daston, Lorraine; Galison, Peter (2007): Objektivität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 43.
  14. Vgl. Longino, Helen (1994): In Search of Feminist Epistemology. In: The Monist 77(4), S. 472-485, hier S. 476.