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    Auf dieser Seite erfahren Sie, was die Disziplin der Umweltethik ausmacht, mit welchen zentralen Fragen und Begriffen sich die Disziplin auseinandersetzt und wie Positionen der Umweltethik eingeordnet und kategorisiert werden können.

Was ist Umweltethik?

    Die Umweltethik (auch: Naturethik) ist eine Teildisziplin der angewandten Ethik, die die Umwelt bzw. Natur zum Gegenstand hat (Ott et al., 2016). Es wird unterschieden zwischen deskriptiver Umweltethik, welche vorherrschende Wertvorstellungen von Menschen gegenüber der Umwelt beschreibt, und präskriptiver Umweltethik, welche versucht, richtiges Handeln gegenüber der Umwelt zu definieren und zu begründen (Ott et al., 2016). Folglich entstehen Überschneidungen mit einer Vielzahl an weiteren philosophischen und ethischen Teildisziplin, wie beispielsweise der Tierethik, Klimaethik, Agrarethik, Wasserethik und der Naturästhetik (Ott et al., 2016). 
    Darüber hinaus bedient sich die Umweltethik an Erkenntnissen aus den Gebieten der Naturphilosophie und der Naturwissenschaften (Frankena, 1997; Köchy, 2016). Dazu gehören beispielsweise Annahmen über den Naturbegriff, über die Natur des Menschen und über das Mensch-Natur-Verhältnis (Köchy, 2016). Solche Annahmen sind oftmals implizit oder explizit in den Begründungen von umweltethischen Positionen enthalten (Köchy, 2016). 
    Was Umweltethik heutzutage zu einer immer relevanteren philosophischen Teildisziplin macht, sind die immer stärkeren Eingriffe des Menschen in die Natur und somit die Gefährdung der Existenz des (menschlichen) Lebens auf der Erde (Ott et al., 2016; Wilson, 1984). Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als erste weitreichende Umweltschäden observiert wurden, entstand ein Bewusstsein für und somit eine Kritik an den Eingriffen des Menschen in der Natur – infolgedessen wurde neben Umweltorganisationen und Fachwissenschaften auch die philosophische Disziplin der Umweltethik ins Leben gerufen (Ott et al., 2016). Obwohl Umweltethiker*innen auch praktische Ziele verfolgen (z.B. Mitarbeit an Leitlinien, politischer Einfluss, etc.), ist es ihre Hauptaufgabe, auf theoretischer Ebene moralisch richtiges Verhalten gegenüber der Umwelt zu definieren und zu begründen, sowie aktuelles menschliches Verhalten gegenüber der Umwelt zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen (Ott et al., 2016).

Zentrale Begriffe und Fragen der Umweltethik

    Die zentrale Frage der Umweltethik ist, welche natürlichen Entitäten (z.B. Tiere, Pflanzen, Berge, etc.) direkt oder indirekt moralisch berücksichtigt werden sollten. Herkömmliche Ethiken der abendländischen Philosophie sind von und für Menschen gemacht und somit anthropozentrisch (Ott et al., 2016). Es ist jedoch möglich, weitere Entitäten als moral patients in die Moralgemeinschaft aufzunehmen – infolgedessen hätten moralische Personen diesen Entitäten gegenüber ebenso direkte moralische Pflichten wie gegenüber Menschen (Ott et al., 2016). Allerdings kann auch ohne eine Erweiterung der Moralgemeinschaft Umweltschutz ethisch gerechtfertigt werden. Allerdings gäbe es dann nur indirekte Pflichten gegenüber natürlichen Entitäten „in Ansehung“ der Entitäten, die der Moralgemeinschaft angehören (Ott et al., 2016). So wäre es beispielsweise denkbar, den Klimawandel allein deshalb verhindern zu wollen, um zukünftige Generationen von Menschen zu schützen.
    Welche Entitäten in die Moralgemeinschaft aufgenommen werden, d.h. welche „Reichweite“ (Birnbacher, 2011) eine Umweltethik aufweist, wird meist darüber begründet, ob diese einen moralischen Eigenwert, also intrinsischen Wert besitzen (Birnbacher, 2011; Ott et al., 2016). Intrinsischer Wert meint dabei einen der Entität innewohnenden Eigenwert, der unabhängig vom Menschen ist (Ott et al., 2016). Einige Autor*innen bestreiten, dass es etwas Derartiges überhaupt gibt. Das Gegenstück zum intrinsischen Wert ist der instrumentelle Wert (Ott et al., 2016). Entitäten besitzen instrumentellen Wert, wenn sie für den Menschen wertvoll oder nützlich sind (Ott et al., 2016). So sind beispielsweise Bäume von instrumentellem Wert für den Menschen, da sie zu Möbeln oder Papier verarbeitet werden können. Eine dritte Wertkategorie bildet der eudaimonistische Wert (Ott et al., 2016). Entitäten sind von eudaimonistischem Wert, wenn der Mensch sie als „Komponenten eines guten Lebens wertschätz[t]“ (Ott et al., 2016, S. 10) und sie nicht substituierbar sind, wie beispielsweise der Anblick einer schönen Meereslandschaft (Ott et al., 2016).

Eine Taxonomie Umweltethischer Positionen

    Gängige umweltethische Positionen lassen sich im sog. „Argumentationsraum der Umweltethik“ (Krebs, 1999) verorten. Dieser liefert eine Basis, um die Ansätze einzelner Autor*innen zu kategorisieren. Die meisten Positionen lassen sich entlang des Inklusionsproblems ordnen, d.h. je nachdem, welchen natürlichen Entitäten moralischer Eigenwert und somit direkte moralische Berücksichtigung zugesprochen wird (Ott et al., 2016). Die erste Stufe, der Anthropozentrismus, betrachtet allein den Menschen als Entität mit moralischem Eigenwert (Birnbacher, 2011; Ott et al., 2016). Jede weitere Stufe schließt die Entitäten der vorherigen Stufe und darüber hinaus zusätzliche weitere Entitäten ein. So werden von pathozentrischen Ansätzen (auch: sentientistisch) alle empfindungsfähigen Lebewesen berücksichtigt (Birnbacher, 2011; Ott et al., 2016), von biozentrischen Ansätzen alle Lebewesen (Birnbacher, 2011; Ott et al., 2016), von physiozentrischen Ansätzen sogar unbelebte Entitäten wie Berge oder Flüsse und von holistischen bzw. ökozentrischen Ansätzen Ökosysteme als Ganzes (Birnbacher, 2011). Eine weitere, vom Inklusionsproblem unabhängige Begründungsstruktur sind theozentrische Ansätze, die mit religiösen und spirituellen Argumenten arbeiten.
    Jenseits des Inklusionsproblems gibt es weitere Systematisierungsansätze für umweltethische Positionen. So wird beispielsweise unterschieden zwischen individualistischen und ganzheitlichen Ansätzen, zwischen egalitären und gradualistischen Ansätzen, sowie zwischen kantianischen und utilitaristischen Ansätzen (Ott et al., 2016). Während individualistische Ansätze nur Individuen als Wertträger*innen anerkennen, betrachten ganzheitliche Ansätze (auch) Ganzheiten, wie Ökosysteme oder Arten (Ott et al., 2016). Ökozentrische und holistischer Ansätze zählen zu den ganzheitlichen Ansätzen, während anthropozentrische, pathozentrische und biozentrische Ansätze individualistischer Art sind.
    Im Rahmen von egalitären Ansätzen wird allen Wertträger*innen im selben Maße intrinsischer Wert zugewiesen; gradualistische Ansätzen hingegen lassen Abstufungen bzw. Hierarchien zu, die es erlauben, in Konfliktsituationen gewissen Wertträger*innen ein höheres Schutzrecht zu gewähren (Ott et al., 2016). Autor*innen wie Taylor (1997) und Ehrenfeld (1997) vertreten beispielsweise einen strengen biozentrischen Egalitarismus und schreiben in der Tat allen Lebewesen denselben Eigenwert zu (Birnbacher, 2011; Ehrenfeld, 1997; Taylor, 1997). Attfield (1997) hingegen vertritt einen biozentrischen Gradualismus, in dem er zwar allen Lebewesen den gleichen Eigenwert zuspricht, jedoch eine nach Organisationshöhe abgestufte moralische Signifikanz (Attfield, 1997; Birnbacher, 2011). Dieser Gedanke erweist sich als spannend in der Praxis, in der häufig die Interessen unterschiedlicher Entitäten gegeneinander abgewogen werden müssen, wie beispielsweise auch bei der Abwägung zwischen Umweltschutz und Gerechtigkeitsanliegen zwischen Menschen (Ott et al., 2016).

Umweltethik in der Praxis

    Für die praktische Anwendung von umweltethischen Ansätzen ist die zentrale Frage, welche Forderungen sich für menschliches Handeln ergeben. Auch trotz unterschiedlicher Begründungsstrukturen gelangen Ethiken unterschiedlicher Art nicht selten zu ähnlichen oder gar denselben Handlungsempfehlungen (Birnbacher, 2011). So kann sich eine Person beispielsweise für den Schutz von Wäldern einsetzen, um das Ökosystem Wald zu erhalten (ökozentrisch/holistisch), um Tieren und anderen Lebewesen einen Lebensraum zu gewährleisten (pathozentrisch/biozentrisch) oder um CO2 aus der Atmosphäre zu binden, was wiederum dem Menschen zugutekommt (anthropozentrisch). Die Konvergenzhypothese nach Norton (1991) besagt sogar, dass im Großen und Ganzen die gleichen Handlungsempfehlungen von allen Umweltethiken nahegelegt werden (Birnbacher, 2011; Norton, 1991). 
    Zudem gibt es grundsätzlich unterschiedliche Positionen dazu, inwieweit der Mensch überhaupt in den Lauf der Natur eingreifen sollte. Während einige Autor*innen die Natur sich selbst überlassen möchten und beispielsweise das natürliche Aussterben von Arten nicht verhindern möchten, halten andere ein aktives Eingreifen für richtig (Birnbacher, 2011). Einige Autor*innen fordern allein negative Pflichten (auch: Unterlassungspflichten) gegenüber der Natur, d.h. Pflichten, der Natur nicht aktiv Leid zuzufügen (Birnbacher, 2011). Fordern Personen hingegen auch ein Eingreifen in die Natur, um bestehendes Leid zu vermindern, so spricht man von positiven Pflichten (Birnbacher, 2011). Darüber hinaus gibt es eine Unterscheidung zwischen konservativem und progressivem Naturschutz (Birnbacher, 2011). Konservative Naturschützer*innen haben es zum Ziel, bereits existierende Naturbestandteile zu erhalten, während progressive Naturschützer*innen darüber hinaus (auch) neue wertvolle Naturbestandteile erschaffen möchten.

  Literaturverzeichnis

Attfield, R. (1997). Biozentrismus, moralischer Status und moralische Signifikanz. In D. Birnbacher (Hrsg.), Ökophilosophie (S. 117-134). Stuttgart: Reclam. Birnbacher, D. (2011). Natur und Umwelt schützen – vor dem Menschen oder für den Menschen? In J. S. Ach, K. Bayertz & L. Siep (Hrsg.), Grundkurs Ethik – Band II: Anwendungen (S. 67-80). Paderborn: mentis. Ehrenfeld, D. (1997). Das Naturschutzdilemma. In D. Birnbacher (Hrsg.), Ökophilosophie (S. 135-177). Stuttgart: Reclam. Frankena, W. K. (1997). Ethik und die Umwelt. In A. Krebs (Hrsg.), Naturethik (S. 271-295). Frankfurt/Main: Suhrkamp. Krebs, A. (1999). Ethics of Nature: A Map. Berlin: de Gruyter. Köchy, K. (2016). Natur/Umwelt. In K. Ott, J. Dierks & L. Voget-Kleschin (Hrsg.), Handbuch Umweltethik (S. 20-25). Stuttgart: J. B. Metzler. Norton, B. G. (1991). Toward Unity Among Environmentalists. New York: Oxford University Press USA. Ott, K., Dierks, J. & Voget-Kleschin, L. (2016). Einleitung. In K. Ott, J. Dierks & L. Voget-Kleschin (Hrsg.), Handbuch Umweltethik (S. 1-19). Stuttgart: J. B. Metzler. Taylor, P. W. (1997). Die Ethik der Achtung für die Natur. In D. Birnbacher (Hrsg.), Ökophilosophie (S. 77-116). Stuttgart: Reclam. Wilson, E. O. (1984). Biophilia. Cambridge, MA: Harvard University Press.