Benutzer: Hannah Zelck/Werkstatt
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Ilija Trojanow
Ilija Trojanow, der Autor des Romans EisTau, wurde 1965 in der Hauptstadt Bulgariens geboren. Als er sechs Jahre alt war, flohen seine Eltern mit ihm nach Deutschland. 1972 erhielt sein Vater einen Job als Ingenieur in Kenia, weshalb die Familie dorthin zog. Anschließend lebte Ilja Trojanow mit seiner Familie zwölf Jahre in Nairobi. Diese Zeit unterbrach er mit einem dreijährigen Aufenthalt in Deutschland. 1984 begann er ein Studium an der Maximilians-Universität in München. Neben Jura studierte Trojanow unter anderem Ethnologie und Havarie bis 1989. Noch im selben Jahr gründete der Autor einen auf afrikanischer Literatur spezialisierten Verlag, den Marino Verlag. Fortan begann seine Karriere als Schriftsteller, Übersetzer und Verleger. Als bedeutende Werke des Autors sind sein 2006 erschienener Roman Der Weltensammler sowie Die Welt ist so groß und Rettung lauert überall zu nennen [1]. Jedoch ist anzumerken, dass sich das Wirken Trojanows keinesfalls auf das Verfassen von Romanen beschränkt. Auch die Veröffentlichungen in diversen Presseorganen wie der Frankfurter Allgemeinen oder der taz stellen einen bedeutenden Teil seiner Arbeit dar. 2007 drehte er einen Film für das ZDF. Außerdem war Trojanow als Gastprofessor an mehreren Universitäten, unter anderem 2009/2010 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, tätig.
In seinen Werken greift Trojanow vielfach brisante politische und gesellschaftliche Themen auf. So veröffentlichte er 2009 gemeinsam mit Juli Zeh das Buch Angriff auf die Freiheit veröffentlicht. Hier kritisierten beide Autor*innen das zunehmende Eindringen des Staates in die Privatsphäre seiner Bürger*innen vor dem Hintergrund der Terrorabwehr. Zugleich initiierte Trojanow neben einem offenen Brief an die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel einen internationalen Aufruf zur Aufdeckung dieser Missstände.
Trojanow erhielt bereits etliche Literaturpreise - darunter den Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1995 und 2017 der Heinrich-Böll-Preis. Dass seine Bücher in 31 Sprachen übersetzt worden sind, zeigt, auf welch große Resonanz die von dem Autor aufgegriffenen Themen offensichtlich in weiten Teilen der Welt treffen.
Im Jahr 2011 erschien der heute in der Klimawandelliteratur äußerst relevante und häufig besprochene Roman EisTau. [2]
Handlung des Romans EisTau
Im folgenden Artikel wird auf die Handlung des Romans EisTau eingegangen. Um Hintergründe des Autors und näheres zu der Analyse des Buches zu erfahren, wird auf die folgenden Artikel verwiesen: [Hier Links der Artikel über Ilja Trojanow und der Analyse einfügen]. Damit die Handlung in Hinblick auf den Protagonisten Zeno besser nachzuvollziehen ist, wird der Artikel zur Analyse des Romans empfohlen.
Im Jahr 2011 erschien der heute in der Klimawandelliteratur äußerst relevante und häufig besprochene Roman EisTau. Die äußere Handlung spielt auf einer Reise mit einem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis. Im Mittelpunkt der 12 Romankapitel stehen die Reflexionen und Erinnerungen des Protagonisten und Ich-Erzählers Zeno. In seiner Gedankenwelt grenzt er sich immer mehr von der äußeren Welt ab. [3] Der Klimawandel wird in Form des Eistaus zum zentralen Thema im Roman. Zeno wird zum Verfasser eines fiktiven Notizbuches, in welchem mittels Metaphern geschimpft, gehofft sowie verzweifelt wird. [4] Weiterhin wird das Schicksal sowohl eines Einzelnen, als auch einer Gruppe und der Umwelt in erzählerischer Form vorgetragen. Die Schifffahrt beginnt mit der MS Hansen in der Hafenstadt Ushuaia im Süden Argentiniens. Dies ist Zenos vierte und zugleich letzte Reise als Expeditionsleiter. Der Antritt dieser Reise ist eine Art Verzweiflungstat.
Zeno möchte nach der Genesung von einer Krankheit seinen geliebten Gletscher wiedersehen. Doch als er dort ankommt, findet sich kein Gletscher mehr vor. Daraufhin bricht Zenos Welt zusammen: Die Ehe mit seiner Frau Helene scheitert, er verlässt die Universität und beginnt fortan für die Reederei zu arbeiten, um so in der Antarktis seinem geliebten Eis erneut nahe zu kommen. Auf der MS Hansen wird Zeno als Expeditionsleiter zwar geschätzt, bleibt dennoch als Individualist angesehen. Ausschließlich Paulina, eine philippinische Servicekraft, kommt Zeno näher. Die beiden führen eine Affaire auf dem Kreuzfahrtschiff, außerhalb gehen sie getrennte Wege. Zeno verbindet mit ihr seine antarktische Liebe - eine Liebe, die an Land niemals funktionieren würde. Das, was für den Protagonisten einst Leidenschaft war, hat sich zu einer Besessenheit entwickelt, die von zwanghaften Zügen geprägt ist. Der Roman endet auf dem offenen Meer. [5]
Eistau - eine Analyse
In diesem Artikel findet eine Analyse des von Ilija Trojanow verfassten Klimawandelromans EisTau statt. Um Hintergründe des Autors sowie Inhalte des Romans zu erfahren, wird auf die folgenden Artikel verwiesen: [Hier Links der Artikel über Ilja Trojanow und den Inhalt einfügen]. Nachfolgend werden in der Figurenanalyse die Hintergründe des Protagonisten Zeno sowie die Funktion der Nebenfiguren näher erläutert. Anschließend findet eine Einordnung der Romanstruktur statt, um im Anschluss die Fokussierung der Umweltthematik aufzugreifen. Als ein zentraler Aspekt der Analyse werden bedeutende Textpassagen näher untersucht.
Figurenanalyse
Im Roman gibt es einen Protagonisten und Antihelden namens Zeno – ein Held, der zum Ende des Romans aufgibt. Zudem dominiert eine ambivalente Figurenausgestaltung, welche sich mittels Zeno Hintermeier äußert. Der Ich-Erzähler setzt sich für den Umweltschutz ein und arbeitet dennoch auf einem Kreuzfahrtschiff. Mit an Bord der MS Hansen befindet sich ein weiterer Expeditionsleiter namens Jeremy, welcher dort hauptsächlich als Kameramann fungiert. Weiterhin gibt es einen Ornithologen, der vom Personal rein aus Vergnügen El Albatros genannt wird. Paulina, Zenos Freundin an Bord, arbeitet als Servicekraft auf dem Kreuzfahrtschiff. Sie befindet sich jedoch eher selten an Deck des Schiffes, da diese Arbeitskräfte von den Touristen nicht gesehen werden sollen. Zeno war früher ein Melancholiker, doch Paulina und er bringen sich oft gegenseitig zum Lachen. Des weiteren wird im Roman von Zenos ehemaliger Frau Helene gesprochen, welche sich eher der Konsumgesellschaft zuordnen lässt. Die Ehe scheitert jedoch. [6]
ZENO
Der Protagonist im Roman namens Zeno Hintermeier ist Glaziologe und liebt die Natur. Bereits seit frühester Kindheit ist er von einem Naturphänomen fasziniert. Zeno entdeckt seine Leidenschaft für die Alpengletscher als er diese viele Jahre zuvor das erste Mal sieht. Fortan wird ihm klar, dass er Gletscher vermessen, studieren und vor allem beschützen will. Zeno bekommt ein Angebot, als Experte auf einem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis mitzufahren. Dort erlebt er mitunter das Sterben dieser Gletscher aus unmittelbarer Nähe.[7] Er verachtet die Passagiere aufgrund ihres egozentrischen und achtungslosen Verhaltens – „sie stehen sektschlürfend an der Reling, sehen die Eisberge lieber auf den Displays ihrer Camcorder als in natura, lauschen seinen Vorträgen über das Gletschersterben und fahren trotzdem weiterhin Auto […]“ [8]. Der Protagonist verzweifelt an Menschen, die nicht nur die Umwelt, sondern auch seine eigene Lebensgrundlage zerstören. Zeno leidet am scheinbar unaufhaltbaren Klimawandel. Für den Expeditionsleiter sind die miserablen Eisreste ein Abbild der Fahrlässigkeit dieser Gesellschaft geworden. [9]. Der Autor schafft mit Zeno eine derart tragische Figur, welche so sehr auf das Naturphänomen fixiert ist, dass seine Beziehungen darunter leiden. Nicht nur das Scheitern der Ehe scheint ihm nichts auszumachen, sondern auch das Alleinsein. Der Gletscher, den Zeno mit seinen Studenten vermaß, studierte und der schließlich dahinschmolz, war sein einziger Lebensverlust – nicht die gescheiterte Ehe mit seiner Frau Helene [10]. Zudem ist Zeno der Einzige an Bord, der den Ernst der Problematik erkennt. Die Passagiere des Schiffes hingegen reisen nur aus touristischem Interesse in die Antarktis, der Klimawandel ist ihnen völlig gleichgültig. Somit zeigt der Roman, dass die Menschheit den Blick für diese Katastrophe längst verloren hat. Das Scheitern des Protagonisten zum Ende des Romans weist außerdem darauf hin, dass wenig Hoffnung in ein Umdenken der Passagiere besteht. Der Mensch ist mitverantwortlich für die Zerstörung der Natur und ist sich dessen nicht bewusst. Dabei sollte dieser im Einklang mit der Natur leben, da sie die Grundlage menschlicher Existenz darstellt. Der Mensch ist Teil der Natur. Alles was er der Natur antut, tut er sich selbst an, mit dem einzigen Unterschied, dass er dies nicht verstehen, beziehungsweise wahrhaben will. Von den Passagieren im Roman wird die Achtung der Natur jedoch eher als bedeutungslos angesehen. Zeno konnte sich zuvor nicht vorstellen, dass seine langwierigen Warnungen ignoriert werden. Im Voranschreiten der Handlung wird dem Protagonisten dies jedoch vermehrt bewusst, so dass seine Hoffnung weiter schwindet und er schließlich in eine Art Ohnmacht fällt. Zeno Hintermeier ist in seinen Ansichten und Handlungen zu extrem, die Passagiere zu gleichgültig. Mit beiden Einstellungen kann die Umwelt nicht gerettet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob eine Rettung diesbezüglich überhaupt noch möglich ist. Mit Zeno Hintermeier werden ebenso emotionale und psychische Zustände als Folge einer Klimakatastrophe im Roman beschrieben: Wut, Verzweiflung, Resignation, Frustration, Ignoranz, Sarkasmus, Ironie, Trauer, Irrationalität, Vereinsamung und viele mehr äußern sich im Roman. Weiterhin wird deutlich, dass Zeno eine Figur darstellt, welche jeden Menschen, der den Ernst der Erderwärmung nicht sieht, oder vielmehr nicht sehen will, missachtet. [11]
Funktion der Nebenfiguren
Während des Lesens wird deutlich, dass die Nebenfiguren stets einen gewissen Gegensatz zu Zeno darstellen und sich eher als Statisten der weitgehend von dem Protagonisten bestimmten Handlung erweisen. Alle Nebenfiguren vertreten eine andere, weitaus nicht so radikale Ansicht zum Klimawandel, als der Protagonist. Die Ansichten und Aktionen der Nebenfiguren, wie der Pinguin-Vorfall mit Miss Morgenthau, verdeutlichen, wie wenig sich der Großteil der Menschheit mit Natur, Klima und auch dem Klimawandel beschäftigen. Mit Ausnahme des Protagonisten stellen die im Buch vorkommenden Figuren ihr eigenes Wohl über das der Tiere, Umwelt und Natur. Ein ähnliches Verhalten ist auch bei dem Großteil der in unserer Gesellschaft lebenden Menschen zu beobachten. Aus diesem Grund lässt sich die Funktion der Nebenfiguren in einem Appell an die Leser*innen zu begreifen, das eigene Handeln zu reflektieren und bewusster mit Ressourcen umzugehen. Vor allem fällt in dem Roman auf, dass der Protagonist mit keiner der weiteren Figuren eine feste Beziehung führt. Die Servicekraft Paulina ist eine der wenigen Personen, mit denen Zeno in seiner Zeit auf dem Schiff näheren Kontakt hat. Jedoch entwickeln sich auch in der zwischenmenschlichen Beziehung von Zeno und Paulina gewisse Probleme. Es wird deutlich, dass Zeno eine andere, extremere Sicht auf die Welt hat und umweltbewusster lebt. [12] So kann Paulina beispielsweise nicht verstehen, aus welchen Gründen Zeno kein Auto besitzt [13].
Romanstruktur
Der Roman ist in zwölf Kapitel aufgeteilt. Die Überschriften der Kapitel werden in Form von Koordinaten angegeben, um den derzeitigen Standort des Schiffes nachzuverfolgen. Die Kapitel, welche die Schifffahrt in den Süden wiedergeben, wechseln mit knapp gehaltenen Zwischenkapiteln, die zum einen in einer unterhaltsamen und neugierigen Form das Geschehen auf dem Kreuzfahrtschiff schildern, zum anderen sind diese mittels kurzer Funksprüche, Gesprächsfetzen und Redewendungen gestaltet. Gegensätzlich zu den mit Koordinaten markierten Kapiteln werden in den Zwischenkapiteln keine Erfahrungen Zenos wiedergegeben. Diese bilden ihren Inhalt in der Form eines inneren Monologs ab. Aufgrund dieser Zwischenkapitel werden bestimmte Abweichungen und Differenzen bezüglich des ununterbrochenen Fortgangs des Erzählens Zenos geschaffen. Gleichzeitig führen die bestehenden Zwischenkapitel zu Brüchen in der Romanstruktur. Neben der Hauptgeschichte bestehend aus den Erfahrungen, die an Bord der MS Hansen stattfinden und denen während der Landgänge, gibt es auch eine Nebenhandlung. Diese schildert die Vorgeschichte und nimmt dabei wiederholt Rückgriff auf Zenos Vergangenheit, als dieser noch Dozent an der Universität war. Bereits nach dem ersten Kapitel wird deutlich, dass es sich in diesem Roman um ein Notizbuch des Protagonisten handelt, dessen gesamte Laufbahn darin beschrieben wird. Somit wird der Ich-Erzähler mittels des Notizbuches sehr funktional eingesetzt. Die im Roman verwendete Sprache ist gekennzeichnet von metaphorischen und poetischen sowie ausdrucksstarken und substanziellen Neologismen. Weiterhin finden sich im Roman eine Vielzahl von Fremdwörtern wieder. Der Autor hält sich nicht zurück, neue Wörter zu schöpfen sowie gewisse Wortkombinationen zu wagen. Außerdem wurden mehrfach Anekdoten zur Geschichte der Antarktis verwendet, wie auch Querverweise zu Klassikern hergestellt. Trojanow baut in die Handlung wiederholt Ausdrücke ein, bei denen erst zum Ende ersichtlich wird, dass es sich um Zitate handelt. [14] Ein bedeutendes Beispiel ist der Ausspruch: “Ich bin es müde, Mensch zu sein.” [15]. Neben der Hauptfigur Zeno, der Schiffsreise sowie der Thematisierung von Natur und den Gletschern stellt die Misanthropie einen zentralen Aspekt des Romans dar. Die Abneigung Zenos gegenüber den Handlungen der Passagiere wird mehrfach im Roman ersichtlich. Erkennbar ist dies beispielsweise an der Konfrontation mit den chilenischen Soldaten. [16]
Fokussierung der Umweltthematik
Im Roman spielt die Natur eine bedeutende Rolle, da diese neben dem Klimawandel das zentrale Thema darstellt. Des weiteren lassen sich gewisse Erkenntnisse über den Roman mit Betrachtung von Gegensatzpaaren gewinnen. Hinsichtlich des Gegensatzpaares lokal – global wird auf der lokalen Ebene deutlich, dass Zeno Hintermeier vor Ort seinen Gletscher beim Schmelzen betrachtet. Bezüglich der globalen Ebene informiert sich der Protagonist über die Schmelzprozesse sowie die Gletscherproblematik. Gegensätzlich sind zudem das oberflächliche Interesse eines Touristen und das tiefgehende Interesse sowie die Handlungsbereitschaft des Ich-Erzählers, etwas ändern zu wollen. Das Kreuzfahrtschiff ermöglicht den Menschen eine reale Begegnung mit der Antarktis. Gleichzeitig wird dieses Naturphänomen vor allem von Schiffen wie diesen zerstört. Zudem dient das Kreuzfahrtschiff als Symbol für Ambivalenz. Die Passagiere an Bord sehen die Reise eher als Spaß an. Zeno sieht jedoch die bestehende Katastrophe. Der Gletscher wird im Roman ebenfalls zum Symbol, denn das Motiv des Gletschersterbens beschreibt die Umweltveränderungen durch den Klimawandel. In seinem Buch thematisiert Trojanow außerdem die in der Antarktis vorherrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen und stellt die Notwendigkeit dieser Maßnahmen infrage. Ein großes Thema stellen dabei die geplanten Öl-Bohrungen dar. Es wird auf die Forschungsstationen verschiedener Länder – darunter Russland, China und Deutschland – Bezug genommen und ihr wissenschaftlicher Nutzen aufgrund der räumlichen Dichte hinterfragt. Die Problematisierung des voranschreitenden Klimawandels wird im Roman an vielen Stellen direkt mit dem Handeln der Menschen in Verbindung gebracht. [17] So werden die Überreste des ehemals imposanten Eisbestandes eines Gletschers von Zeno als „Spiegel unserer groben Fahrlässigkeit“ bezeichnet [18]. “Natur ist im großen Maßstab anthropogene Natur, eine vom Menschen überformte, kultivierte Natur.” [19]. Die Thematisierung des menschengemachten Klimawandels im Roman “EisTau” findet sich in dem Ausdruck des Anthropozäns wieder. Dieser beinhaltet das aktuelle Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren der Umwelt geworden ist [20].
Analyse von zentralen Textpassagen
Im gesamten Buch wird wiederholt durch Zeno geäußerte Kritik an dem Tourismus in der Antarktis deutlich. Die Gespräche über banale und für ihn unwichtige Themen sind für den Protagonisten sehr schwer auszuhalten. Insbesondere, weil die Passagiere ihr Handeln nicht überdenken und die für Zeno bedeutenden Themen, wie etwa das Schmelzen der Gletscher ignorieren.
Konflikt zwischen einem Soldaten und Zeno
Ein chilenischer Soldat zündet sich eine Zigarette an, während sich Zeno mit der Reisegruppe auf der Insel King George Island befindet. Für den Protagonisten ist das Rauchen inmitten der Pinguine unerträglich. Er greift den Soldaten an, um ihm die Zigarette zu entwenden. Daraufhin zieht dieser eine Pistole. Allein die Tatsache, dass die Soldaten den nötigen Abstand zu den Pinguinen nicht wahren, ist für Zeno inakzeptabel. Die Reaktion hat negative Folgen für die Hauptfigur, da der Kapitän diese für überspitzt hält. Die gesamte Situation stellt sich als sehr frustrierend für den Ich-Erzähler heraus. Er erwartet lediglich die Achtung der Menschen und möchte die Zerstörung dieser Region verhindern. Allerdings wird für ihn immer deutlicher, dass die Menschen stets egoistisch handeln und die Lage aufgrund dessen immer aussichtsloser wird. Das Rauchen einer Zigarette in einer solch ursprünglich unberührten Region steht symbolisch für die zunehmende Vereinnahmung der naturbelassenen Standorte der Erde durch den Menschen und somit auch für den menschengemachten Klimawandel. Die unbekümmerte Aktion des Soldaten zeigt, wie unreflektiert und fahrlässig die Menschheit mit der Umwelt umgeht. [21]
Dramatische Szenen mit Miss Morgenthau
Miss Morgenthau möchte das von einem Raubvogel gestohlene Ei eines Pinguins zurückbringen. Dabei wird sie von dem Pinguin, der sein zweites Ei schützen will, gebissen. Als Miss Morgenthau auf der Flucht stürzt, begräbt sie den Pinguin unter sich. Da Zeno den Erste-Hilfe-Kasten vergessen hat, kann er die Wunde nicht unmittelbar reinigen und eine Infektion somit nicht abwenden. Miss Morgenthau greift mit ihrer Handlung in den natürlichen Habitus der Tiere ein. Aufgrund ihrer Unerfahrenheit wusste sie nicht, dass der Eidiebstahl durch Raubvögel etwas ganz Alltägliches ist, wo der Mensch nicht einzugreifen hat. Zeno wird nach diesem Vorfall scharf verurteilt, da er nicht rechtzeitig gehandelt und Vorschriften verletzt hat. Die Situation verdeutlicht, warum Zeno den zivilisierten Menschen des 21. Jahrhunderts nicht ausstehen kann. Egal, ob er wie der Soldat von Beginn an rücksichtslos oder wie Miss Morgenthau aus einem ursprünglich fürsorglichen Grund handelt. In beiden Situationen kommt es zu einer Eskalation, da aus einer zunächst kleinen Handlung Chaos und Kontrollverlust resultieren. Diese chaotischen Zusammentreffen zwischen Mensch und Natur veranlassen Zeno zu der Aussage, dass er müde sei, Mensch zu sein [22]. Während der Handlung wird mehrfach deutlich, wie unterschiedlich Zeno sich im Gegensatz zu anderen Menschen verhält. Er unterscheidet dabei klar zwischen dem Menschsein an sich und ihm selbst als Individuum. Dem Protagonisten wird das Gefühl zugeschrieben, Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen zu haben. Sein Suizid ist größtenteils damit begründet, dass seine zahlreichen Versuche auf die Menschen Einfluss zu nehmen, scheitern. Die Bedeutung dieser Ereignisse erschließt sich bei einer Einordnung in einen größeren Kontext der Klimawandelliteratur noch deutlicher. Vor allem die Betrachtung der Rolle des Menschen als Teil der Natur ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Diese Situationen zeigen, dass der Mensch – obwohl er sich häufig über die Natur erhebt und diese nicht wertschätzt – nicht über allem steht und Prozesse immer beeinflussen kann. Denn genau dieses Eingreifen in die natürlichen Prozesse sorgt – wie bei Miss Morgenthau – für ein Durcheinanderbringen der natürlichen Ordnung. [23].
SOS-Aktion
Die Passagiere werden dazu aufgerufen, sich zu einer Buchstabenfolge „SOS“ zusammenzustellen. Ein Künstler möchte mit dieser Aktion auf den Klimawandel und das Schmelzen der Gletscher aufmerksam machen. Zeno zeigt sich wenig begeistert von dieser Aktion. Er befürchtet, dass sie nur aufgrund medialer Aufmerksamkeit durchgeführt werden soll und die ernsten Absichten im Hintergrund stehen. [24] Wegen dieser Aktion entschließt sich Zeno zu einem authentischen SOS: der Entführung des Schiffes und dem eigenen Suizid. Diesen Entschluss fasst er aus Verzweiflung über sein Menschsein. Zudem möchte der Protagonist den Menschen damit aufzeigen, dass sie eine wesentlich kleinere Rolle spielen, als ihnen bewusst ist. Vor seinem Tod stuft er die Menschen noch einmal tief herab, um sich schließlich mit dem Sturz in das antarktische Meer mit der Natur zu vereinen. [25]
Fazit
EisTau ist in jedem Fall ein lesenswerter Roman, der die Thematik des Klimawandels in einer für die Leser*innen fesselnden und appellierenden Weise aufgreift. Weiterhin wird die voranschreitende verheerende Entwicklung des Klimawandels mit den Menschen in Verbindung gebracht. Der akute Handlungsbedarf kommt zum Vorschein und es wird zu einer bewussteren Lebensweise aufgerufen. Aus Sicht des Glechterforschers Zeno Hintermeier behandelt dessen erzählte Handlung ein zentrales Problem unserer Gesellschaft, welche ebenso – wenn auch nicht offensichtlich – politische und wirtschaftliche Interessen vieler Staaten problematisiert.
Belege
- ↑ Trojanow, Ilija (o. J.): Werke. In: trojanow. Online, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.
- ↑ Trojanow, Ilija (o. J.): Ilija Trojanow. Schriftsteller, Übersetzer, Verleger.. In: trojanow. Online, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.
- ↑ Ilija Trojanow: EisTau. In: aus.gelesen. Online, zuletzt abgerufen am 15.12.2021.
- ↑ Hamdorf, Laura (2011): Trojanow-Roman. Kälter wird's nicht. In: Spiegel. Online, zuletzt abgerufen am 15.12.2021.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Hamdorf, Laura (2011): Trojanow-Roman. Kälter wird's nicht. In: Spiegel. Online, zuletzt abgerufen am 15.12.2021.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 98.
- ↑ Ilija Trojanow: EisTau. In: aus.gelesen. Online, zuletzt abgerufen am 15.12.2021.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 26.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 154.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011).
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 98.
- ↑ Dürbeck, Gabriele/ Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur. Eine Einführung. In: Komparatistik Online Online, zuletzt abgerufen am 18.12.2021.
- ↑ Dürbeck, Gabriele (2018): Das Anthropozän Erzählen: fünf Narrative. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 68(21-23), S. 11-17. Online, zuletzt abgerufen am 02.01.2022.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 114-120.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 154.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 141-146.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 134.
- ↑ Trojanow, Ilija (2019): EisTau. Frankfurt am Main: FISCHER Taschenbuch (ursprünglich veröffentlicht im Carl Hanser Verlag 2011), S. 163-167.