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Emotionalisierung in aktuellen Dokumentarfilmen zum Thema Klimawandel

In diesem Beitrag soll das gesamtgesellschaftlich populäre Thema Klimawandel hinsichtlich seiner emotionalisierenden Darstellungsweisen in aktuellen Dokumentarfilmen untersucht werden. Während dieser Artikel bereits eine allgemeine Verknüpfung zwischen dem Klimawandel und Dokumentarfilmen herstellt, soll hier mittels einer qualitativen Feinanalyse primär die Rolle der Emotionalisierung betrachtet werden. Dies geschieht anhand von je einer exemplarisch gewählten Szenen aus zwei aktuellen Netflix-Dokumentationen; Erstens wird eine Sequenz der ersten Folge aus der Serie „Um die Welt mit Zac Efron“ untersucht werden und zweitens ein Abschnitt aus dem biografischen Dokumentationsfilm „David- Attenborough -Mein Leben auf unserem Planeten“. Zwar ist eine Kenntnis dieser zwei auf der Streamingplattform Netflix erhältlichen Dokumentationen an dieser Stelle nicht nötig, aber zumindest das Schauen der analysierten Szenen hilfreich. Beide Filme sind, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, neuzeitliche dokumentarische Auseinandersetzungen mit der Klimakrise, die zur Verdeutlichung des Themas gewisse Modalitäten der Emotionalisierung nutzen, welche mithilfe von Analysewerkzeugen der Filmanalyse entschlüsselt werden können.

Warum ist die Kombination aus Emotion und Dokumentation ein relevantes Thema?

Es zeigte sich sowohl bei dem Seminar „Klimawandel auf der Bühne“ als auch „Sprache im Dokumentarfilm“, die im Wintersemester 2020/21 an der Universität Kassel den Germanistik-Studierenden zur Verfügung standen, dass eine reine faktenbasierte Darstellung des Klimawandels, der seit über 50 Jahren von Wissenschaftlern* diskutiert wird, nicht ausreicht. Stattdessen zeigen sich Tendenzen zur Dramatisierung und Emotionalisierung, um Rezipienten mitzureißen und bestenfalls zum Handeln aufzurufen. Außerdem wird der meist auf Naturwissenschaft beschränkte Blick auf die Klimakrise damit um gesellschafts-, sprach- und kulturwissenschaftliche Perspektiven erweitert.

  • *dieses singuläre Maskulin, welches zugunsten der Lesbarkeit im vorliegenden Text genutzt wird, schließt selbstverständlich alle nicht-männlichen Vertreter der jeweiligen Personengruppe mit ein

Aber was ist Emotionalisierung?

Dieser Begriff stammt von Emotionen ab, welche laut Meyer et al.[1] aktuelle psychische Zustände von Personen mit gewisser Dauer, Intensität und Objektgerichtetheit sind, die das subjektive Erleben als auch physiologische Veränderungen und Verhaltensänderungen zur Folge haben können. Der Psychologe Ulrich[2] unterteilt Emotionen außerdem in Gefühlsregungen und Stimmungen. Für die hier vorgenommene Betrachtung sind nur Gefühlregungen von Bedeutung, unter denen er „vorübergehende emotionale Zustände von meist kurzer Dauer (…), die durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst werden, einen ‚Einsatz‘ sowie ein Auf- und Abklingen“ versteht. Stimmungen hingegen bilden den „diffusen, wenig gegliederten atmosphärischen Hintergrund des Erlebens“ und halten länger an. Filmsequenzen als ‚Objekt‘ oder ‚Einsatz‘ bewirken aber meist einen temporär begrenzten Effekt. Trotz verschiedener Kategorisierungsmöglichkeiten unterscheiden wir meist in die Hauptemotionen: Angst, Wut, Trauer, Ekel, Freude und Überraschung.[3] Nebst einer Erzeugung von Freude werden in Dokumentarfilmbetrachtungen vor allem die Emotionen wichtig, die in irgendeiner Weise schocken und schockieren, sei das aus Überraschung, Wut oder Angst.

Laut dem Duden[4] oder auch dem digitalen Wörterbuch deutscher Sprache[5] beschreibt ‚der bildungs-/ fachsprachliche Begriff ‚emotionalisieren‘ das Erregen oder Wecken von Emotionen, das heißt mittels einer gewissen Darstellungsweise sollen Emotionen bei dem Zuschauer hervorgerufen werden. Selbstverständlich könnte man, in Anbetracht der Überpräsenz des Emotionalisierungsbegriffes in Auseinandersetzungen mit Filmanalysen, argumentieren, dass Emotionalisierung bei jedweder Rezeption eines Filmes eine Rolle spielt. Die Besonderheit ist jedoch, dass es sich hier um Dokumentarfilme handelt, die bislang durch sachliche und neutrale Faktennennung gekennzeichnet waren. Mit der Verschärfung der Klimakrise scheint sich aber eine neue Dringlichkeit zu ergeben, die den Zuschauer nicht mit schönen Naturbildern und spannenden Tierdaten zurücklässt, sondern diesen aktiv mitnimmt und für das Problem wachrütteln und ggf. zur Verhaltensänderung führen möchte. Statt sachlicher Berichterstattung steht das Empfinden und Erleben gewisser, dramatischer Situationen im Zentrum, was bei den Dokumentationen dank der Personengebundenheit (s.u.) gut funktioniert. Außerdem geht es anders als im Spielfilm nicht um das Mitfühlen und Identifizieren mit den geschauspielerten Figuren, sondern um Empathie mit den uns real umgebenden Tieren und Biotopen. Emotionalisierung erscheint neben bzw. dank der Ästhetisierung, Empathisierung und der Personengebundenheit in diesem Kontext als Mittel zum Zweck und als neuer Trend im modernen Dokumentarfilm[6] Wie können wir Emotionalisierung messen? In diesem Beitrag soll bloß die intendierte, das heißt die von den Filmemachern möglicherweise beabsichtigte Emotionalisierung untersucht werden, anstelle von Querschnittsstudien, in denen Kinobesucher nach ihren Emotionen befragt werden, wie es in psychologischer Forschung üblich ist. Stattdessen soll sich hier auf die, in den Sequenzen angelegte Multimodalität , die zur Emotionalisierung beiträgt, fokussiert werden.

Modalitäten der Emotionalisierung

Filme wie auch Dokumentarfilme reißen uns besonders mit, wenn Sie ein harmonisches Zusammenspiel verschiedener Modalitäten beinhalten, die grundsätzlich unter Bild und Ton zusammengefasst werden können. Beginnend mit Aspekten des Tons soll im Folgenden vor allem die dokumentarfilmtypische Stimme aus dem Off, also die Stimme des nicht präsenten Kommentators hinsichtlich ihrer Wortwahl und der verwendeten emotional aufgeladenen Worte analysiert werden. Nebst dieser wird zumindest in der Doku-Serie „Mit Zac um die Welt“ der darüber hinaus erfolgende Dialog auf die gleichen Aspekte hin untersucht. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle bei Betrachtung der emotionalisierenden Filmwirkung spielen die Musik(stücke) bzw. Melodien, die Original- oder nachträglich hinzugefügten natürlichen Geräusche (Atmos) und nachträglich hinzugefügte künstliche Soundeffekte (SFX) und deren Zusammenspiel. (B. Beil et al.: S. 164). Zum Aspekt des Bildes gehören die Kameraperspektive (Normalsicht/Frosch- oder Vogelperspektive/ Schräge), die Einstellungsgrößen (Weit/(Halb)Total/Amerikanisch,(Halb)Nah/Groß/Detail), die Objekt- und Kamerabewegungen (Kameraschwenks, -fahrten) als auch die Beleuchtung und Farbgestaltung der bewegten Bilder[7] Außerdem sollen Aussagen über die Montage, also die Wirkungen der verschiedenen Bilder und deren Aneinanderreihung getroffen werden. Anhand ausgewählter Screenshots, welche mit der Stimme aus dem Off als auch den Dialogen aufgeführt sind, werden diese Analysewerkzeuge nun in stichpunktartiger Form präsentiert - siehe dazu die PDFs. Im Anschluss daran werden diese Stichpunkte zusammengefasst und mit einem Blick auf die intendierte, emotionalisierende Wirkung abgerundet.

1. Mit Zac um die Welt[8] „Brotback-Szene“7:33-10:33 min.

Gesamtlänge der Folge: 46:53min. verbleibende Zeit: 39:20 min. -36.20 min.

Beginn Brotback-Szene.png

Im Folgenden ist der gesamte Text de Szene verschriftlicht und anhand einiger repräsentativer und in relativ regelmäßigen Abständen gewählten Screenshots bebildert. Der Text steht dabei neben oder zwischen den Bildern, je nachdem, wann er in der Videosequenz exakt vorkommt, außerdem geben die Stichpunkte Aufschluss über die Kameraeinstellung/Perspektive/Bewegung, über die Musik/Melodien und Geräusche (falls nötig) als auch über Besonderheiten und die evozierten Wirkungen der einzelnen Bilder.

(PDF Zac muss hier hin)

  1. WEITERLEITUNG Datei:///D:/uni/Germanistik/PDF Analyse, Brotback Szene, Zac Efron.pdf


Die vorliegende Videosequenz fällt insbesondere dadurch auf, dass es sehr viel Dynamik in der Kamerahaltung gibt, da diese fast ausschließlich in Bewegung ist, sei es, weil sie zwischen den Personen schwankt, auf Zac und Darin und verstärkt auf Zac zoomt oder mal in eine Großaufnahme des Geschehens (Kuchenumstülpen) rein- und rauszoomt. Durch diese Montage-Technik, in Kombination mit der Tatsache, dass fast ausschließlich die Normalsicht (also eine Kamera auf Augenhöhe im Gegensatz zu einer erniedrigten Frosch- oder einer erhöhten Vogelperspektive) gewählt wurde, entsteht die Wirkung, dass der Zuschauer Teil des Geschehens werden soll. Dieser Effekt wird außerdem durch die Einbindung und Explizierung der Crew-Mitglieder, also einen Behind-The-Scenes- Einblick verstärkt. Außerdem erfüllt dieser filmische Kniff den Zweck eine ungezwungene, lockere und möglichst authentische und spontane Stimmung zu evozieren. Bei Betrachtung des Gesagten fällt hinsichtlich der Stimme aus dem Off auf, dass diese von Zac Efron erfolgt, welcher in der deutschen Übersetzung eine sehr junge, jugendliche und oft witzigen Unterton enthaltene Stimme hat. Sowohl seine Wortwahl in der Stimme aus dem Off als auch das Vokabular, dessen sich alle Beteiligten in den Dialogen bedienen ist eine einfache, umgangssprachliche und leicht verständliche Sprache. Obwohl es sich um eine Dokumentation handelt, sind kaum Fachtermini enthalten, statt Sachinformationen erfolgen überwiegend expressive Aussagen, die etwa das Essen geloben. Auffällig sind vor allem die positiv besetzten Adjektive, die man in der Sprachwissenschaft auch als Hochwertwörter bezeichnet: „Großartig, toll, wunderbar, wundervoll“. Spannend ist zudem das Gesprächsverhalten Zacs, der tatsächlich hauptsächlich zum Sprücheklopfen und zum Gutaussehen, Staunen und Genießen Teil der Serie zu sein scheint. Obgleich seltener im Bild, ist Darin Olien derjenige, der auch im weiteren Verlauf der Folge Nachfragen stellt als auch respektvoller und erwachsener auf die Gesprächspartner eingeht. Es zeigt sich, in Anbetracht der gewählten Sprache und dieser Selbstinszenierung Zacs ein Fokus auf den emotionalisierenden statt Wissen vermittelnden Aussagen. Ein derartiger klarer Fokus auf Emotion und Entertainment beweist auch die zeitliche Schwerpunktsetzung; Zwanzigsekündige Witze über Mordor beim Roadtrip im Kontrast zu einer nachhaltig genutzten, heißen Quelle, die nicht mal eine Sekunde lang eingeblendet wird. Auch die schriftlichen Einblendungen sind modern und ästhetisch, kurz und ansehnlich, tragen aber zu keinem Informationsgewinn für den Zuschauer bei und beweisen, ebenso wie die auflockernde und funkige Hintergrundmusik, dass hier eine lockere und unterhaltsame Wirkung intendiert ist.

Zusammenfassend ergibt sich durch das Zusammenspiel der Kameraführung, der eingespielten Musik als auch der dialogischen und bildlichen Schwerpunktsetzung eine mitreißende, beschwingende und gute Laune machende Wirkung beim Zuschauer, welcher sich als Teil des Geschehens und in engem Bezug zu Zac und der reisenden, erlebenden und ein wenig auch lernenden Gruppe steht. Die intendierte emotionalisierende Wirkung ist demnach, dass die die Serie „Mit Zac um die Welt“ zwar nicht mit negativen Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut schockieren will, sondern ganz im Gegenteil durch Freude und Erstaunen ein ungezwungenes, lockeres und optimistische Erleben der oft negativ konnotierten Klimakrise und Thematik der Nachhaltigkeit zeichnen will.

WEITERE FORSCHUNGSANSÄTZE Da diese Analyse sich primär auf die Kameraführung, Visualisierung und Wortwahl als auch den Gesamteindruck der ausgewählten Sequenz bezieht, finden weitere Aspekte, die die aktuelle Tendenz der Emotionalisierung zusätzlich betonen, wenig Raum. Spannend wäre es beispielweise die Gesamtfolge zu untersuchen, etwa hinsichtlich ihrer zeitlichen Einteilung in wissensvermittelnde oder in der Unterhaltung dienende Abschnitte. Spannende Untersuchungen ergäben sich auch in Hinblick auf die Bildfarben und das Colour Grading oder auf Zacs Selbstinszenierung und Outfitwahl (vor allem im Kontrast zu dem stets unauffällig gekleideten Darin) RAUS? Dadurch ist die Serie „Mit Zac um die Welt“ eher einer Feelgood-Lifestyle Doku oder einem Infotainment (Information plus Entertainment) Format zuzuordnen als einem sachlichen Dokumentarfilm. Ganz anders verhält es sich bei David Attenboroughs „Mein Leben auf unserem Planeten“. Jedoch zeigt auch dieser Film einschließlich der nun folgenden Analyse Aspekte der Emotionalisierung und demnach Mittel, wie Zuschauer an den Klimawandel herangeführt und für das Thema begeistert werden können.

David Attenborough- Mein Leben auf unserem Planeten[9] "Dystopie Szene" 49:07 min. -52:07 min.

Gesamtlänge: 1:23:46 verbleibende Zeit: 34:39 min. – 31:39 min.

David Attenborough.png

Auch hier wurde der gesamte Text transkribiert, einige, nach dem selben Muster gestalteten Montagen und Bildsequenzen wurden ausgelassen. Da sich hier eine gleichförmige, dreigliedrige Struktur zeigt und um diese zu veranschaulichen steht der Text (anders als bei der Analyse zu "Mit Zac um die Welt") nicht direkt neben dem Bild, sondern nach den drei Bildern, zumal er stets in der zweiten Kameraeinstellung einsetzt.

(PDF David A. muss hier hin)


Insgesamt zeigt sich durch die Wortwahl von David Attenborough und dessen tiefe, nach einem alten, weisen Mann klingende und düstere Stimme (aus dem Off bzw. die seines deutschen Sprechers) ein ansgteinflössender Eindruck. Gepaart mit der perfekt darauf abgestimmten mal lauter und mal leiseren, Akzente setzenden Hintergrundmelodie als auch den nachträglich eingefügten und laut regulierten Naturgeräuschen wird dieser Eindruck verstärkt. Die intendierten Emotionen scheinen, anders als bei dem freudvollen „Mit Zac um die Welt“ tatsächlich Angst, Trauer oder Wut zu sein. Der Zuschauer soll mittels Empathie erregender Tier- und Umweltbilder und düsterer Szenarien, mittels sachlich präsentierten Fakten, die durch die Melodie und Montagetechnik eine emotionalisierende Wirkung enthalten, schockiert und mitgerissen werden. Dieser Eindruck entspricht den Beobachtungen, die Thomas Klein[10] in seinen Betrachtungen zu Nachhaltigkeits-Dokumentationen macht, 'Bilder emotionalisieren dadurch, dass sie empören und sind einerseits natürlich wunderschön und andererseits beklemmend'[11] Demnach kann David Attenboroughs Auseinandersetzung mit der Klimakrise als ein sehr stereotypischer Dokumentationsfilm aufgefasst werden, zumal auch von Netflix mit dem Adjektiv "vertraut" betitelt, welcher vor allem durch zahlreiche ästhetisierende Naturbilder und dazugehöriger Faktenpräsentation durch eine weise klingende Stimme (aus dem Off) gekennzeichnet ist. Damit bildet David Attenboroughs biografischer Dokumentationsfilm das vollkommene Gegenteil zu der heiteren, beschwingten und humorvollen Lifestyle-Dokumentation Zacs. Statt positive Gefühlsregungen bilden hier negative Emotionen die intendierte Wirkung, das heißt, es zeigt sich ebenfalls ein Fokus auf Emotionalisierung. Zudem wird das schockierende Szenario, welches David Attenborough in der Dystopie-Szene zeichnet im weiteren Verlauf der Dokumentation relativiert und weicht letztlich Hoffnung und einem Apell an den Zuschauer. WEITERE FORSCHUNGSANSÄTZE Dies würde eine Betrachtung des weiteren Verlaufs oder einer Gesamtstruktur der Dokumentation ergeben, die vorliegende Analyse beschränkt sich jedoch , genauso wie die Analyse der Brotback-Szene, auf die Kameraeinstellung und Montagetechnik sowie Wortwahl und Geräuschkulisse der ausgewählten Szene. Grundsätzlich kann auch die genauere Betrachtung eines Intros oder Outros bei Zac Efrons als auch David Attenboroughs Dokumentation oder die Selbstbeschreibung der Serie durch Netflix aufschlussreich sein. Ebenso wie eine genauere Betrachtung der Person Zac bietet auch hier sich ein detaillierter Blick auf David Attenborough und seine Selbstinszenierung als erfahrenen, betroffenen Erdbewohner an. WEITERE FORSCHUNGSIDEEN RAUS ODER UNTER EIGENER ÜBERSCHRIFT?

Personengebundenheit, Ästhetisierung, Emotionalisierung & Kommerzialisierung

Spannend ist, dass obgleich die beiden untersuchten Dokumentationen völlig unterschiedlich emotionalisieren, dabei sprechen sie nicht nur unterschiedlichste Gefühle an, sondern stellen auch zwei sehr verschiedene Menschen in den Fokus und doch teilen sie die Gemeinsamkeit, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten zum Thema Klimakrise und Nachhaltigkeit anhand einer zentralen Person beleuchtet werden. Dies zeigt ich auch in weiteren, aktuellen Netflix-Dokumentationen wie etwa "What The Health", "Cowspiracy" oder "Seaspiracy", die allesamt anhand einer Person den Zuschauer mit an die Hand durch einen Dschungel an komplexen Zusammenhängen zum Thema Klimawandel nehmen. Gerade in einer pluralisierten, globalen und medial häufig überfordernden Welt knüpft dieser Trend der Personengebundenheit an die moderne Influencer-Bewegung der sozialen Medien an. Der Bezug oder die Beziehung zu einer Person, der man vertraut, kann entlastend und erleichtern in dieser Überforderung wirken und sorgt nicht zuletzt für Empathie und Emotionsregung beim Zuschauer. Zudem sind Naturaufnahmen, insbesondere bei David Attenboroughs- Mein Leben auf unserem Planeten, obgleich erschreckende Tatsachen abbildend, meist ästhetisch und optisch ansprechend, was nicht zuletzt an einer der Natur innewohnenden Schönheit liegen könnte und laut Thomas Klein auch in Dokumentationen die keinen Apell hinsichtlich des Klimawandels und einer Verhaltensänderung enthalten, insgeheim Werbung für die Erhaltung dieser Natur und Ästhetik machen.[12] Wenn wunderschöne und beeindruckende Landschaften brutal zerstört werden, wie die Dystopie-Szene verdeutlicht, funktioniert die schockierende Emotionalisierung besser.

Zuletzt sollte bei der Betrachtung derartiger Medien nicht außer Acht gelassen werden, wer sie wo unter welchen Bedingungen produziert und zur Verfügung gestellt hat. Beide behandelten Dokumentationen sind Netflix Dokumentationen und Netflix als Streamingplattform muss sich vor allem in Zeiten, in denen zunehmend Streamingplattformen entstehen, stets beweisen. Demnach ist die Emotionalisierung in Punkto Kommerzialisierung und Zuschauerbindung ein ökonomisch sinnvoller Aspekt, ebenso sinnvoll wie das Aufgreifen einer derart aktuellen Nachhaltigkeits/Klimawandel-Thematik als auch dessen Abhandlung anhand verschiedenster Personen, Dokumentationsarten und Emotionalisierungstechniken. Was bleibt? Die Rolle der Emotionalisierung für den Klimawandel ist so groß, wie die Problematik selbst.


Quellen:

  1. Hänsel et al. (2016): Sportpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 54ff..
  2. N.Rendt (2004): Emotionalisierung von Nachrichten am Beispiel der Tagesschau und den Sat.1 News. München: GRIN Verlag. Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  3. N.Rendt (2004): Emotionalisierung von Nachrichten am Beispiel der Tagesschau und den Sat.1 News. München: GRIN Verlag. Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  4. emotionalisieren. In: Duden Wörterbuch. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  5. emotionalisieren. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache hrsg. v. d. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Online, zuletzt abgerufen am 19.04.2021.
  6. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfil. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183-200.
  7. H.Schäfer (2014): Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik. In: Medienwelten- Zeitschrift für Medienpädagogik Online, zuletzt abgerufen am 23.03.2021.
  8. Z.Efron, C.Henson, B.Volk-Weiss (2020): Mit Zac um die Welt. USA: Netflix. Staffel 1, Folge 1: Island, 46min.
  9. A.Fothergill, K.Scholey, J.Hughes (2020): David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten. Dänemark: Netflix. 1h 54min.
  10. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfil. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 183-200.
  11. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfil. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 192.
  12. T. Klein (2017): Strategien der Darstellung nachhaltiger Entwicklung im neueren Dokumentarfil. In: C. Heinze und T. Weber (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen - Film und Bewegtbild in Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 194.