Benutzer: Lara Neugebauer/Werkstatt

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Definition der Begriffe

Fakt

Der Fakt, auch das Faktum genannt, beschreibt eine Tatsache, welche nachweislich existiert oder geschehen ist [1]. Ein Fakt ist mit der Wahrheit gleichsetzbar und vertritt die Realität.

Fiktion

Im Gegensatz dazu steht die Fiktion, welche etwas Ausgedachtes, nicht Reales und nur in der Vorstellung Existierendes beschreibt[2]. Im Unterschied zum Fakt hat die Fiktion keinen Wahrheitsgehalt und basiert auf Erfindungen und Fantasie.

Ausführliche Informationen zu den Begriffen

Das Phänomen des Klimawandels wird in zahlreichen Texten unterschiedlicher Genres erklärt, dargestellt oder thematisch verarbeitet. Dabei muss zwischen der Non-Fiction und Fiction unterschieden werden; also zwischen den literarischen Ausführungen, welche der Sachliteratur oder Fachliteratur zuzuordnen sind und solche, die nicht dieser Kategorie angehören. Dieser Artikel befasst sich mit der Klimaliteratur, also der Fiction. Die Literatur innerhalb der Kategorie Fiction verfolgt vordergründig das Ziel, zu unterhalten bzw. alternative Realitäten zu erproben, anstatt reine Fakten zu vermitteln. Um den fiktiven Status eines literarischen Werkes für Leser zu kennzeichnen, werden in der Regel Fiktionssignale eingesetzt: „Unter Fiktionssignalen werden im Allgemeinen Phänomene verstanden, die auf mehr oder weniger eindeutige Weise anzeigen oder nahe legen, dass ein Text fiktional ist.“[3] Zu diesen Signalen gehören unter anderem eine von den Autor*innen vorgenommene spezifische literarische Zuschreibung des eigenen Werkes, wie z.B. ‚Roman‘, ‚Drama‘, ‚Gedicht‘ o.ä. Im Bereich der Fiction hat die Klimaliteratur bereits einen eigenen Gattungsbegriff erhalten, die Climate Fiction (aus dem Englischen, zu Deutsch: Klima-Fiktion). Ausgehend von dieser Tatsache gilt es zu überlegen, wie die Begriffe Fakt und Fiktion innerhalb eines rein-fiktionalen Kontextes auszulegen sind, und ob ein Fakt als solcher innerhalb dieses Kontextes noch so genannt werden darf.

Im Metzler Lexikon für Literatur wird Fiktion folgendermaßen definiert: „[…] Auf lit. Texte bezogen der imaginäre Status der dargestellten Figuren, Orte und Ereignisse, insofern diese keine direkte Korrespondenz in der Realität besitzen.“ [4]

Ein Protestschild mit den Worten “There is NO Planet B” wird hochgehalten.

Basierend auf dieser Definition können Fakt und Fiktion nicht explizit voneinander getrennt angesehen werden. Viel mehr lässt sich von einem Übergang sprechen, bei dem Fakten in die Fiktion in Form von fiktionalen Darstellungen einfließen: „In fiktionaler Lit. […] können sich fiktive mit realen Elementen vermischen. Das gilt bes. für Gattungen an der Grenze zwischen Faktum und F. wie den ä historischen Roman oder das Dokumentartheater [AM6] […], aber auch für viele andere Werke, welche fiktive Ereignisse schildern, die sich an realen Orten zutragen […].“ [5] So greift zum Beispiel das Junge Theater Göttingen das Thema ‘Fridays For Future’ auf. ‘Fridays For Future’ ist eine globale Protestbewegung von Schüler*innen und Studierenden, die sich für den Erhalt und die Rettung des Planeten einsetzt. Das Junge Theater Göttingen setzt sich mit dieser Thematik im Theaterstück ‘fridays. future.’ auseinander und schafft somit eine fiktionale Darstellung der weltweiten Proteste im Dokumentartheater. Im Bereich der Climate Fiction ist dieses Prinzip mehrfach auf ähnlich umgesetzte Art und Weise anzutreffen. Charakteristisch für die Climate Fiction sind unter anderem verschiedene Figurentypen, die häufig anzutreffen zu sind. Dazu zählt die Rolle des Charakters, welcher sich der anstehenden Klimakrise bewusst ist und versucht, den Rest der Erdbevölkerung davor zu warnen und ihr die Dringlichkeit der Situation bewusst zu machen. Diese Position wird unterschiedlich besetzt, immer wiederkehrend aber sind es Wissenschaftler oder Journalisten, welche diese Rolle einnehmen, also jene Berufsgruppen, die auch in der realen Welt vor dem Klimawandel und dessen Folgen warnen und über ihn berichten.

Detaillierte Analyse des Gegensatzpaares anhand ausgewählter Beispiele aus der Klimaliteratur

Ein Albinoeichhörnchen im Geäst.

In der Klimawandelliteratur sind häufig Szenarien zu finden, in denen der Klimawandel bereits stattgefunden hat. Der Klimawandel bzw. ein daraus resultierender Kollaps ist in diesen Fällen nicht Teil der Handlung, sondern der Leser wird mit dem sich daraus resultierenden Ergebnis konfrontiert, welches sich häufig als einschneidende Veränderung für die Menschheit und den Planeten darstellt. Ein Beispiel dafür stellt die Welt in „Milchzähne“ von Helene Bukowski dar. Die Charaktere aus „Milchzähne“ leben zunächst in einer Landschaft, die in beständigen Nebel eingehüllt ist. Eines Tages jedoch lichtet sich der Nebel und wird fortan durch beständigen Sonnenschein ersetzt, welcher die Natur und Lebenswelt der Charaktere massiv verändert: im Laufe der Zeit vertrocknet die Landschaft zunehmend, die ansässigen Tiere bleichen über die Jahre aus, teilweise stürzen Möwen angekohlt aus dem Himmel zu Boden. Zunächst sind die Hauptcharaktere durch die Naturveränderungen nicht sonderlich beeinträchtigt. Sie haben während der Zeit des Nebels Essensvorräten angelegt und haben gelernt, zu Selbstversorgern zu werden, indem sie den Garten hinter dem Haus bewirtschaften und sich Kaninchen halten. Doch je länger die Dürreperiode anhält, desto weniger Ertrag bringt der Garten, und auch die Ländereien der Nachbarn bringen immer weniger Ernte ein. Die Wetterveränderung stellt nach und nach eine ernsthafte Bedrohung für die Anwohner dar.

(Auch die „Maze Runner“-Reihe von James Dashner erzählt von einer post-apokalyptischen Welt, in der die Charaktere ebenfalls den Folgen einer starken Naturveränderung ausgesetzt sind. In Dashners Romanen verändert sich die Welt der Menschen nach einer Reihe von Sonneneruptionen, welche die Erde massiv beschädigen. Ganze Lebensregionen der Menschen werden von der Erde gebrannt. Die von den Sonneneruptionen unbeschädigten Länder haben mit den Konsequenzen zu kämpfen, die sich in der Form von Feuerstürmen, Tsunamis und extremer Hitze zeigen. Das Endergebnis ist eine neue Wüste, welche sich durch den gesamten Bereich des Äquators zieht; eine durch Wetterkatastrophen gänzlich veränderte Erde. )

Ein ähnliches Geschehen ist in „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ von Suzanne Collins beschrieben:

„[Der Bürgermeister] erzählt aus der Geschichte von Panem, dem Land, das aus den Trümmern dessen erstand, was einst Nordamerika genannt wurde. Er zählt die Katastrophen auf, die Dürren, die Stürme, die Feuersbrünste, erzählt von dem anschwellenden Meer, das so viel Land geschluckt hat, und erinnert an den brutalen Krieg um die wenige verbliebene Nahrung.“[6]

Die Welt, in der sich die Charaktere von Suzanne Collins behaupten müssen, beschreibt eine Dystopie, in der Hunger und Nahrungsnot konstante Faktoren sind. Während in „Die Tribute von Panem“ die Ursachen für diese Hungersnöte vordergründig durch das bestehende politische System verursacht werden und sich während des Handlungsverlaufs wenige Hinweise dafür finden lassen, dass Klima, Wetter oder die Natur im Allgemeinen für die Hungersnöte verantwortlich sind, so gibt der zitierte Ausschnitt doch einen Einblick in die Umweltkatastrophen, welche der Menschheit in Collins Roman massiv zugesetzt haben.


Eine Nachbarschaft steht unter Wasser.

Die beschriebenen Katastrophen erinnern an die realen Wettereignisse des 21. Jahrhunderts. Allein in den letzten zwanzig Jahren hat die Anzahl an Umweltkatastrophen beachtlich zugenommen. Zwischen 1980 und 1999 kam es weltweit zu 1.389 aufgezeichneten Überschwemmungen. Die Anzahl der zwischen 2000 und 2019 aufgezeichneten Überschwemmungen weltweit ist fast zweieinhalb mal so hoch und liegt bei 3.254 [7]. Während bei Überschwemmungen der höchste Anstieg zu in diesem Zeitfenster zu beobachten ist, ist Hochwasser nicht die einzige Naturkatastrophe, welche in ihrer Häufigkeit zugenommen hat. Das gleiche lässt sich bei anderen Ereignissen wie z.B. bei Stürmen nachweisen, welche einen Anstieg von 1.457 auf 2.043 verzeichneten, und für extreme Temperaturen, welche statt 130-mal 432-mal nachgewiesen werden konnten. Naturkatastrophen sind durch ihre zunehmende Häufigkeit also längst keine Seltenheit mehr. Dieser Fakt der empirischen Welt, wird von Autoren und Autorinnen genutzt, um ausgehend von dieser Grundlage fiktionale Dystopien zu schaffen, die für den Leser aufgrund seines lebensweltlichen Bezugs nachvollziehbar ist: „‘Klimawandelliteratur‘ […] nutzt das Experimentierfeld der Fiktion, um sich mit der konkreten Erfahrung des anthropogenen Klimawandels, seinen Ursachen und seinen bereits realen wie in der Zukunft möglichen Auswirkungen auseinanderzusetzen.“[8] Basierend auf bekannten Elementen – in diesem Fall Wetter-, Klima- und letztendlich Weltveränderungen – sind die fiktional weitergeführten Welten für den Leser als nachempfindbarer gestaltet und erlauben dem Leser dadurch ein Probehandeln innerhalb der literarischen Welten.

Fazit

Zusammengefasst werden in der Klimawandelliteratur den Rezipient*innen bekannte, real existierende oder geschehene Begebenheiten genutzt, um eine Grundlage zu schaffen, auf der im weiteren Verlauf aufbauend fiktiv weitergesponnen werden kann. Der Begriff ‚Fakt‘ im Kontext der Fiction erfährt also eine Legitimierung dadurch, dass die beschriebenen Figuren, Orte oder Ereignisse eine direkte Entsprechung in der Realität besitzen. Obwohl also Fakt und Fiktion grundsätzlich als Gegensatz zu verstehen sind, sind die Begriffe in der Klimawandelliteratur nicht einfach voneinander getrennt anzusehen, sondern als Gemisch anzusehen, bei dem die Begriffe voneinander abhängig sind und aufeinander aufbauen.

Belege

  1. Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): Faktum. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
  2. Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): Fiktion. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
  3. Zipfel, Frank (2014): Fiktionssignale. In: Klauk, Tobias; Köppe, Tilmann (Hrsg.): Fiktionalität. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin, Boston: De Gruyter, S. 97 f.
  4. Schweikle, Günther; Schweikle, Irmgard: [Lemma] Fiktion. In: Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard (Hrsg.): Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler (2007), S. 239.
  5. Schweikle, Günther; Schweikle, Irmgard: [Lemma] Fiktion. In: Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard (Hrsg.): Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler (2007), S. 239.
  6. Collins, Suzanne (2009): Die Tribute von Panem. Tödliche Hungerspiele. Hamburg: Friedrich Oetinger GmbH, S. 23.
  7. CRED; UNDRR (2020): Anzahl an Naturkatastrophen weltweit in den Zeiträumen 1980 bis 1999 und 2000 bis 2019. In: Statista. Online, zuletzt abgerufen am 08.01.2022.
  8. Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung, Köln: Böhlau Verlag, S. 234.



Autor*innen

Im Sommersemester 2024 haben Tuba Nur Ceviz, Zara Ceviz, Jasmin Engler, Melissa Görzen, Sarah Hagelstein, Hannah Kuhlmann, Tim Schade, Johannes Siebert, Felix Thielemann, Sarah Weinfurter und Christina Wiemers an dem Seminar "Die Sprache der Klimawandel: Klima und Campus" (Leitung: Felix Böhm) teilgenommen und damit das Projekt KLICK – Klimacampus Kassel samt seiner Teilprojekte gestaltet und durchgeführt. Auch an der Entstehung dieses Textes waren sie maßgeblich mitbeteiligt. Die Erstfassung dieses Artikels geht auf eine Vielzahl von Textbausteinen der Teilnehmenden zurück, die Felix Böhm zusammentrug und ergänzte. Die Versionsgeschichte gibt daher nicht die gesamte Entstehung des Artikels wieder und listet auch nicht alle beteiligten Autor*innen als User*innen.



Zitiervorlage: Böh, Felix et al. Werkstatt (2020). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Benutzer:Lara Neugebauer/Werkstatt, zuletzt abgerufen am 24.11.2024.