Benutzer: Maximilian Bohne/Werkstatt

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Die Klimadarstellung in der Literatur findet seit einigen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit und wird über die verschiedensten Erzählformen realisiert und in den Mittelpunkt ganzer Geschichten gerückt. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Verantwortung des Menschen.

Definition und Merkmale Klimaliteratur

Die Klimaliteratur ist, zumindest im deutschsprachigen Raum, noch nicht als eigenes Genre, wie etwa Thriller oder Science Fiction, zu verstehen (im englischsprachigen Raum etabliert sich „Cli-Fi“ – Climate Fiction – als eigenes Genre). Vielmehr fasst die Klimaliteratur alle Texte, fiktional wie non-fiktional, zusammen, die sich mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen beschäftigen. Neben traditioneller Geschichtenerzählung wächst in den vergangenen Jahren dabei auch das Feld der Klimawandel-Poesie [1]. Texte rund um den Klimawandel sprechen üblicherweise sowohl die Intelligenz, als auch die Emotion an und sind daher oft zwischen dem Informations- und Unterhaltungstext angesiedelt [2].

Um die Klimaliteratur genauer zu skizzieren, ist ein Blick auf ihre Merkmale unabdingbar. Einig haben sich viele der Handlungsstränge der fiktionalen Texte, häufig in Romanform, die zeitliche Ansiedelung der Geschichte: Die Zukunft. Diese wird häufig düster und dystopisch dargestellt, postapokalyptische Szenerien sind keine Ausnahme. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Figuren und die Umgebung – und häufig deren Beziehung zueinander – sind zentraler Aspekt der Klimaerzählung. Das Überleben in einer sich wandelnden Umgebung wird immer wieder zur Hauptaufgabe der Protagonist*innen gemacht [3]. Diese Protagonist*innen verkörpern häufig Wissenschaftler*innen, die versuchen, Wissen um und Bewusstsein für die Umweltbedingungen zu vermitteln [4].

Die Klimaliteratur verzeichnete nach 2000 einen spürbaren Relevanz-Anstieg. Immer mehr Autorinnen und Autoren wagten sich an das Thema, das lange als heikel galt. Die Natur erhielt eine zunehmend größere Rolle und – besonders wichtig – der Mensch und seine Handlungen rückten als Urheber der drohenden Katastrophe besonders in den Fokus. Der Klimawandel war nicht mehr nur noch eine Randnotiz, sondern wuchs zu Ausgangspunkt und Hintergrund von Handlungen, wurde zentral für die Ausgestaltung der fiktionalen Figuren [5]. Die Autor*innen Gabriele Dürbeck und Jonas Nesselhauf machten darauf aufmerksam, dass in der Umweltliteratur seit 2000 zunehmend betont wird, dass lokalen Umweltproblemen nicht mehr durch Ortswechsel Herr geworden werden kann. Das Problem verschob sich von der lokalen auf die globale Ebene [6].

Die Schriftstellerin Helene Bukowski stellt auf dem Erlanger Poetenfest 2019 ihren Roman "Milchzähne" vor.

Wetter vs. Klima

Wetter und Klima. Mit beiden Begriffen weiß nahezu jeder und jede etwas anzufangen. Eine trennscharfe Unterscheidung der Bedeutung fällt dabei allerdings nicht immer leicht. Fest steht, dass Wetter und Klima nicht durch die sinnliche Wahrnehmung voneinander abgrenzbar sind, an dieser Stelle wird der Intellekt des Menschen benötigt. Solvejg Nitzke schrieb: „Das moderne Klima ist ein wandelbares, globales Phänomen, dessen Erkenntnis doppelt vermittelt ist, insofern es weder sinnlich erfahrbar noch verstandesmäßig erfassbar und somit auf Modellierung angewiesen ist“ [7]. Die Autorin Eva Horn gab den folgenden Definitionsversuch: „Klima ist nichts, was in Bilder und Situationen gefasst werden kann, es ist nicht ereignisförmig wie das Wetter, wie Stürme, Hagelschauer, Springfluten, Dürren oder Frosteinbrüche. Darum ist es uns heute zum Namen für einen neuen, gegenwärtigen Typ von drohender Katastrophe geworden – eine Katastrophe ohne Ereignis.“ Das Wetter ist, wie Horn es treffend formuliert, leicht zu fassen als das, was wir tagtäglich am Himmel sehen. Sonnenschein, Regen und Wind sind Wetterereignisse, die als Gesamtes und über einen längeren Zeitraum hinweg das Klima abbilden. Horn fasst zusammen, das Klima „ist also Durchschnitt, Dauer und Regelmäßigkeit, Wahrscheinlichkeit und Wiederkehr; Wetter der aktuelle Moment, das Jetzt, das In-ein-paar-Stunden, der manifeste und lokale Zustand des ‚Systems‘ Klima.“ Wetter und Klima, das bedeute „Kurzzeit gegen Langzeit“ [8].

Auch in der Literatur bedient sich die Autor*innenschaft immer wieder des Wetters, um auf die fatalen Probleme des Klimas hinzuweisen. Hitzewellen wie in Milchzähne oder Wärmeperioden wie in Ilija Trojanows EisTau werden als Mittel genutzt, um auf das größere Problem hinzuweisen.

Abgrenzung zu anderen Genres

Zumindest in der deutschen Literatur gilt die Klimaerzählung nicht als eigenes Genre. Vielmehr bedient die Klimaliteratur sich einer Reihe anderer Genres wie dem Drama, dem Thriller oder der Science Fiction. Der Klimawandel wird also zum zentralen Aspekt, zum Thema von Erzählungen, die innerhalb der Grenzen der üblichen Genres erzählt werden. Dennoch sind einige Unterschiede zu klassischen Dramen, Thrillern oder Science-Fiction-Geschichten auszumachen. Während in „normalen“ Science-Fiction-Geschichten etwa oftmals eine Unheil bringende Situation droht, die dann im Laufe der Handlung abgewendet werden kann, stellt die Klimaliteratur die Katastrophe oft als unvermeidbar oder gar bereits eingetreten dar und wirkt dadurch dystopisch und düster [9].

Anders als in der deutschsprachigen Literatur bekommt die Klimaerzählung in der englischen Literatur sehr wohl ein eigenes Genre zugeschrieben. Nach Adeline Johns-Putra wuchs der Begriff „Cli-Fi“ für Climate-Change-Fiction dank der zunehmenden Popularität im vergangenen Jahrzehnt zu einer festen Größe der literarischen Genres heran. Die Autorin erkennt darüber hinaus Trends zu Climate Change Poetrys (Klimawandel-Poesie) und Climate Change Plays (Klimawandel-Theaterstücken) [10].

Das Anthropozän

Der Begriff des Anthropozäns ist seit 2000 ein Thema, als Chemiker und Atmosphärenforscher Paul Crutzen ihn einbrachte, um den menschlichen Einfluss als geologischer Faktor in der Epochenbezeichnung sichtbar zu machen [11]. Etymologisch stammt der Begriff aus dem altgriechischen und vereint die Worte „Mensch“ und „neu“. Das Anthropozän ist also das Zeitalter, in dem der Mensch durch sein Wirken auf der Erde zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf biologischer wie geologischer Ebene geworden ist. Autor Sven Titz schätzt den Beginn des Anthropozäns auf Mitte des 20. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der sich der technische Wissensstand der Menschheit in nie gekannter Geschwindigkeit weiterentwickelte [12]. Der Kerngedanke hinter der Formulierung der noch relativ jungen Begrifflichkeit war, den menschengemachten Klimawandel sichtbar in den Vordergrund zu rücken, die Ursache der Umweltprobleme klar zu benennen.

Das Klima in der Hauptrolle

In der Klimawandelliteratur findet ein Wandel der Rollenverteilung und Handlungs-Rahmenbedingungen innerhalb der Erzählungen statt. Die Natur rückt dabei aus ihrem Schattendasein als Hintergrundnotiz der Handlungen heraus und nimmt eine prominente Rolle im Vordergrund der Geschichten ein. Dass betont wird, dass das menschliche Interesse nicht das einzig legitime Interesse ist, ist nach Lawrence Buell eines der vier Merkmale der Umweltliteratur [13].

In vielen Romanen, wie beispielsweise in Helene Bukowskis Milchzähne, äußert sich der Handlungsträger Klima deutlich über extremes Wetter. In Milchzähne etwa wird der Ort, den die Protagonist*innen bewohnen, immer heißer und schwerer zu bewohnen. Ebenfalls werden in dieser Art der Erzählungen, in denen die Natur eine Hauptrolle einnimmt, auch immer wieder Figuren skizziert, die mit einer bestimmten Umgebung verknüpft sind. Im Beispiel Milchzähne wäre an dieser Stelle etwa Skalde zu nennen, die eine besondere Beziehung zum Wald aufgebaut hat oder Edith, die sich dem Meer in spezieller Art verbunden fühlt. Beides ist als Auswirkung des Klimawandels zu deuten.

Hat die Klimaliteratur einen pädagogischen Nutzen?

In der Diskussion um das immer weiter wachsende Feld der Klimawandelliteratur kommt immer wieder die Frage auf, ob die Klima- und Umweltliteratur lediglich einen ästhetischen Nutzen hat, also der reinen Unterhaltung dienen soll, oder ob mit ihr ein pädagogischer Unterton mitschwingt. Bei genauerer Beschäftigung wird recht schnell deutlich, dass beide Formen existieren. Gerade in der Kinderliteratur, wenn auch die Erwachsenenliteratur an dieser Stelle keinesfalls auszuklammern ist, findet sich immer wieder eine Handlungsaufforderung. Inhalte, mit denen Verständnis gefördert werden soll, wie mit dem Klimawandel gelebt werden kann. Viele Stücke der Umweltliteratur sind also der Engagierten Literatur, im Kontrast zum Prinzip „L’art pour l’art“ (Kunst um ihrer selbst willen), zuzuordnen.

Über die Literatur hinaus existieren Adaptionen, etwa im Theater, die den Kerngedanken der Engagierten Literatur übernehmen. Das „Junge Theater“ in Göttingen hat beispielsweise ein Stück über Klimaschutzproteste von „Fridays for Future“ ausgearbeitet. In dem Stück, das die Klimaprotestbewegung unterstützt, werden Schüler*innen von einer Zeitreisenden aus der Zukunft aktiv aufgefordert, politisch – klimatisch – etwas zu bewegen. Über das 75-minütige Theaterstück werden und wurden tausende Schüler*innen erreicht, die im Rahmen des Projekts überdies organisiert Bäume pflanzen gingen, um ihren Teil zur Lösung beizutragen [14].

Natürlich existiert parallel auch Klimaliteratur, die rein künstlerische und ästhetische Zwecke verfolgt. Eine prominente Autorin, die in dieser Form Poesie betreibt, ist Marion Poschmann. In ihrem Gedichtband Nimbus nimmt Poschmann zwar die Natur und seine verheerenden, menschengemachten Probleme in den Blick und weist auf die Folgen des Anthropozäns hin, doch der Hauptfokus liegt auf der ästhetischen Dichtkunst, über die sie ihre Umwelt bis ins kleinste Detail beschreibt und verehrt [15].

Belege

  1. Johns-Putra, Adeline (2016): WIREs Clim Change. In: Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. Online, zuletzt abgerufen am 13.01.2022.
  2. Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung,
  3. Johns-Putra, Adeline (2016): WIREs Clim Change. In: Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. Online, zuletzt abgerufen am 13.01.2022.
  4. Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung,
  5. Dürbeck, Gabriele;Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur. Eine Einführung. In: Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur.
  6. Dürbeck, Gabriele;Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur. Eine Einführung. In: Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur.
  7. Nitzke, Solvejg (2016): Das große Unsichtbare: Die Modellierung von Klima zwischen Wissenschaft und Literatur. Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte,
  8. Horn, Eva (2014): Zukunft als Katastrophe. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, S. 110-116.
  9. Dürbeck, Gabriele (2015): Ökothriller. In: Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung,
  10. Johns-Putra, Adeline (2016): WIREs Clim Change. In: Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. Online, zuletzt abgerufen am 13.01.2022.
  11. Crutzen, Paul J.; Stoermer, Eugene F. (2000): The Anthropocene. In: IGBP Global Change Newsletter
  12. Titz, Sven (2016): Ausrufung des Anthropozäns: Ein gut gemeinter Mahnruf. In: Neue Züricher Zeitung. Online, zuletzt abgerufen am 12.01.2022.
  13. Buell, Lawrence (1995): The Environmental Imagination. Thoreau, Nature Writing, and the Formation of American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, S. 8.
  14. fridays.future.. In: Junges Theater Göttingen. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022.
  15. Braun, Michael (2020): Dunkle Wolken ermöglichen einen neuen Blick auf die Welt. In: Deutschlandfunk Kultur. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022.



Autor*innen

Erstfassung: Maximilian Bohne am 31.01.2022. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der [[Diskussion:Benutzer:Maximilian Bohne/Werkstatt|Diskussionsseite]] einsehbar.

Zitiervorlage:
Bohne, Maximilian (2022): Werkstatt. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Benutzer:Maximilian Bohne/Werkstatt, zuletzt abgerufen am 21.11.2024.