Die Zerstörung der CDU – Einblendungen
In dem folgenden Artikel werden die Einblendungen in Rezos Youtube-Video Die Zerstörung der CDU. untersucht. Das Ziel ist es, genauer zu verstehen, wie einer der meistrezipierten Beiträge zur Klimadebatte in Deutschland gemacht ist. Darauf, dass es sich hierbei um ein aufwändig produziertes Video handelt, weist auch Rezo im Anschluss an die die inhaltlichen Zielsetzung zu Beginn seines Videos hin:
„Ich werde in diesem Video zeigen, wie CDU-Leute lügen, wie ihnen grundsätzliche Kompetenzen für ihren Job fehlen, wie sie gegen deutliche Expertenmeinungen Politik machen, wie sie sich augenscheinlich an verschiedenen Kriegsverbrechen beteiligen, wie sie Propaganda und Unwahrheiten gegen die junge Generation einsetzen, wie bei ihrer Politik die letzten Jahrzehnte die Reichen immer mehr gewinnen und alle anderen immer mehr ablosen, und ich zeige, dass nach der Expertenmeinung von zigtausenden deutschen Wissenschaftlern die CDU aktuell unser Leben und unsere Zukunft zerstört. All das werde ich natürlich wie immer ausführlich mit Quellen belegen und beweisen. Ihr wisst, wenn ich so ein Video mache, mache ich es ordentlich.“[1]
Im Folgenden wird also analysiert, inwiefern Rezo das Versprechen, das Video „ordentlich“ zu machen, einlöst. Dabei werden die Einblendungen als ein Teil der Postproduktion in den Blick genommen, um die Gemachtheit des Videos und darauf aufbauend die Funktion und Wirkung einzelner Elemente genauer zu verstehen.
Fokus und Ziel der Analyse
Die Analyse geht phänomenorientiert und induktiv vor. Das heißt, es wird nicht auf bereits bestehendes Analyseraster zurückgegriffen und über denen Analysegegenstand gelegt, sondern es wird ausgehend vom Video eine kleinteilige Systematik erarbeitet. Das Ziel besteht in einem einen Überblick über die verschiedenen Arten der Einblendung, nicht aber darin, ein Register mit allen vorkommenden Einblendungen samt Timecodes zu erstellen. Als ertragreich haben sich die folgenden sechs analyseleitenden Aspekte herausgestellt:
- Position der Einblendungen im Video
- Dauer der Einblendungen
- Größe im Verhältnis zum Bildschirm
- Effekt auf die Zuschauer*innen
- Wissenschaftlichkeit
- Informationsgehalt
Arten von Einblendungen
Schrifteinblendungen
Überschrift eines neuen Themas
Die Überschriften markieren den Übergang zu einem neuen Thema. Sie sind mit Geräuschen und einem verschwommenen Video hinterlegt, das eine Aufnahme von Angela Merkel darstellt. Sie benennen das Thema einzelner Abschnitte und geben dem Video eine nachvollziehbare Struktur. Der Artikel zu Rezos Performanz in „Die Zerstörung der CDU.“ bietet hierzu weitere Informationen.
Die „Sherlock“-Frage
Im Video stellt Rezo immer wieder Fragen und beantwortet sie dann. Zur Einleitung dieser Fragen blendet er sie verschriftlicht ein, flankiert von Piktogrammen, welche die markante Silhouette der literarischen Figur Sherlock Holmes zeigen. Ähnlich den Überschriften dient die Einblendung dieser Fragen der weiteren visuellen Gliederung des Videos.
Quellenangaben
Quellenangaben stellen die häufigste Form von Einblendungen dar. Sie werden immer relativ klein am unteren Bildschirmrand eingeblendet und sind häufig mit anderen Arten von Einblendungen kombiniert. Die Angaben erfolgen über Kürzel, die nur z.T. um weitere Informationen (z.B. Name und Titel der Autor*innen) ergänzt sind. Erst mithilfe eines Dokuments[2] mit 252 Einträgen, das bei Youtube unter dem Video verlinkt ist, können diese Kürzel aufgelöst und jeweilige Quelle genauer bestimmt werden (z.B. Textsorte, Autorschaft, Publikationsorgan). Diese Quellenangaben dienen, wie Rezo im Eingangszitat ankündigt, im klassischen Sinne der Beweisführung und dem Beleg von Aussagen. Beim Anschauen des Videos suggerieren sie die von Rezo im Eingangszitat markierte Wissenschaftlichkeit auch dann, wenn nicht auf wissenschaftliche Quellen verwiesen wird. Dass es bei zahlreichen Quellen nicht um wissenschaftliche Artikel handelt, sondern etwa um Zeitungsartikel u.a., wird also erst in einer erweiterten Rezeptionshandlung ersichtlich.
Zitate samt Quellenangaben
In Rezos Video werden insgesamt 36 Zitate aus 31 Quellen eingeblendet. Sie erscheinen immer gemeinsam mit der Quellenangabe am unteren Bildschirmrand. Die Schrift ist weiß und nicht mit einem Hintergrund hinterlegt. Sie stehen immer in einem direkten Zusammenhang mit dem, was Rezo während der Einblendung sagt. Zum Teil paraphrasiert Rezo einfach den Zitatinhalt eigenen Worten. Die Zitate erscheinen jeweils nur wenige Sekunden und die Größe variiert je nach Länge des Textes. Dadurch wirken sie flüchtig (kurze Einblendungszeit) und eher nebensächlich (kleine Schrift). Mehrere Zitate weisen Tippfehler auf. Diese Fehler wirken, im Kontrast zur aufwendigen Nachbearbeitung des Videos, überraschend unprofessionell, können aber als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass im Bereich Social Media Fragen der Rechtschreibung nicht dieselbe Bedeutung wie im traditionellen Publikationswesen beigemessen wird.
Die Funktionen der Zitate decken sich größtenteils mit denen der anderen Einblendungen. Hauptsächlich dienen die Zitate als visuelle Unterstützung, Unterstreichung und Fundierung des Gesagten und suggerieren Wissenschaftlichkeit. Indem Rezo seine Aussagen und Argumente auf diese Weise visuell belegt, schafft er Vertrauen zu den Rezipient*innen. Allerdings sind die Zitate aufgrund der kurzen Einblendungsdauer, ihrer Position, Farbe und Größe augenscheinlich nicht darauf ausgelegt, dass die Zuschauer*innen sie auch bei einer einfachen Videorezeption vollständig erfassen können. Um die Schlüssigkeit und den Wahrheitsgehalt seiner Argumentation zu prüfen, müssten Zuschauer*innen das Video zwischenzeitlich anhalten und die Zitate lesen sowie jedes Quellenkürzel mit dem beigefügten Dokument abgleichen. Das Video ist also so produziert, dass es primär eine wissenschaftliche, vertrauensvolle Wirkung erzielt, aber nicht, dass es die Quellenarbeit auch bei einem klassischen Rezeptionsvorgang überprüfbar macht.
Sonstige Schrifteinblendungen
Im Laufe des Videos werden immer wieder kürze Texte eingeblendet, mit denen Rezo seine Aussagen berichtigt, erklärt oder um zusätzliche Informationen ergänzt. Diese Einblendungen haben somit eine korrigierend, erklärende und z.T. auch humoristische Funktion, ohne dass sie auf andere Quellen verweisen.
Bildeinblendung
Screenshots von Webseiten, Social Media oder online Nachrichtendiensten
Rezo blendet zahlreiche Screenshots von Webseiten, Social Media Plattformen oder online Nachrichtendiensten ein. In der Regel sind sie neben ihm platziert, sodass das visuelle Design des Videos an eine Nachrichtensendung erinnert. Diese Einblendungen dienen vor allem dem Untermalen, Beweisen und Belegen von Rezos mündlich formulierten Aussagen. Dabei sind die eingeblendeten Beiträge oft klein und unleserlich, so dass die darin enthaltenen Informationen nur schwerlich oder gar nicht erfasst werden kann. Es handelt sich also um Belege, die über einen visuellen Eindruck erfolgen, nicht über textuell-inhaltliche Zitation. Fotos Wenn Rezo Aussagen von Personen (Politiker*innen, Wissenschaftler*innen etc.) wiedergibt, sie aber nicht als Video einspielt, ist zeitgleich häufig ein Foto dieser Person zu sehen, zum Teil schriftlich ergänzt um weitere Informationen. Wie der vorherige Einblendungstyp sind auch diese Fotos in der Regel neben Rezo platziert, was ebenfalls an eine Nachrichtensendung erinnert. Die Fotos unterstützen visuell die Rezeption und Zuordnung der einzelnen Aussagen und Positionen.
Graphen und Diagramme
Eingeblendeten Graphen und Diagramme zeigen z.B. die Armut- und Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und schließen immer an das zeitgleich Gesagte im Video an. Sie dienen dem Belegen, Untermahlen und Veranschaulichen der getroffenen Aussagen. Zudem suggerieren sie Wissenschaftlichkeit. In den meisten Fällen nehmen die Graphiken circa ein Viertel des Bildschirmes ein oder sind etwas kleiner. Zu sehen sind sie in der Regel drei bis acht Sekunden und damit – wie auch die Textzitate – so kurz, sodass sie in der Regel nicht zur Gänze erfasst werden können. Zudem spricht Rezo in dieser Zeit ohne Unterbrechung weiter. In manchen Fällen sind die Einblendungen zudem vergleichsweise klein oder durch Komprimierung etwas unscharf, sodass die Rezeption in diesen Fällen erschwert wird und ein Anhalten des Videos erfordert. Diese Einblendungen unterstützen den visuellen Eindruck von Wissenschaftlichkeit und korrekter Informationswiedergabe, können aber ad hoc weder nachvollzogen noch überprüft werden. Dies ist erst über die zitierten Quellen möglich.
Animationen und Graphiken
Aufzählungen
Mit Animationen sind vor allem die Aufzählungen von z.B. Organisationen gemeint, die in Rezos Ausführungen zum Zeitpunkt der Einblendung relevant sind. Diese „laufen“ während der Aufzählung durch das Bild. Diese Aufzählungen bestehen aus Schrift oder Bildern (z.B. den Logos der Organisationen). Die Funktion der Aufzählungen ist das Bereitstellen von zahlreichen Beispielen und das Aufzählen von zahlreichen Belegen, bei denen es nicht um einen einzelnen Fall gehen soll.
Graphiken (ClipArts)
Mehrere Male werden kleine Graphiken eingeblendet, die an ClipArts erinnern und das Gesagte im Video noch einmal untermalen. Diese sind augenscheinlich von Rezo selbst konzipiert worden und dienen der visuellen Veranschaulichung. Zudem sind die Graphiken umgangssprachlich beschriftet, was dem Ganzen eine lockere und lustige Wirkung verleiht.
Videos
Die eingeblendeten Videos in Rezos Video beanspruchen insgesamt eine Dauer von ca. 336 Sekunden. Das heißt, dass ungefähr zehn Prozent des gesamten Videos mit fremdem Videomaterial gefüllt sind. Die Videos nehmen, bis auf eines (30:28), immer den gesamten Bildschirm ein. Auch der Ton wird von diesen Videos übernommen. Rezo ist in diesen Fällen nicht mehr zu sehen oder zu hören.
Auffällig ist, dass 21 von 36 eingeblendeten Videos dem Youtube-Kanal "JUNG & naiv"[3] entnommen sind. Der von Tilo Jung gegründete Kanal trägt den Untertitel „Politik für Desinteressierte“. Es handelt sich um ein Informationsformat, welches versucht, politisch Desinteressierten politische Sachverhalte und aktuelle Themen interessant und niedrigschwellig zu vermitteln. Rezo greift für diese Videozitate also nicht auf ein wissenschaftliches Format, sondern auf eine Interviewsendung, in der zumeist Politiker*innen befragt werden, oder Tilo Jungs Aufnahmen der Bundespressekonferenz zurück. Warum Rezo vorwiegend Videos dieses Kanals nutzt, begründet er nicht. Allerdings verweist er sowohl im Video als auch in der Videobeschreibung bei Youtube auf diesen Kanal, was als Werbung verstanden werden kann und auf politische ähnliche Positionierungen von Rezo und Thilo Jung hindeutet. Möglich ist zudem, dass Rezo bevorzugt diese Videos nutzt, weil sie eine ähnliche (junge und social-media-affine) Zielgruppe ansprechen wie sein eigenes Video. Mit Blick auf die eingeblendeten Videos lassen sich wenigstens drei Funktionen unterscheiden:
- Zwei Videos dauern jeweils nur eine Sekunde und sind so eingefügt, dass die darin geäußerten Worte Rezos eigene Äußerungen ergänzen. Dieser Einsatz von kurzen Sequenzen erinnert an Fernsehformate wie z.B. TV-Total, bei denen kurze Videos eingespielt werden, um einen Witz zu machen. Hier ist eine unterhaltende Funktion erkennbar.
- Eine zweite Gruppe von Videos dient wiederum dazu, Rezos Aussagen, Thesen und Argumente zu belegen, zu untermalen oder zu ergänzen. Indem Originalaufnahmen gezeigt werden und Expert*innen selbst sprechen, schaffen sie Vertrauen und vermitteln den Zuschauer*innen den Eindruck, dass Rezo die Sachverhalte faktisch richtig darlegt.
- Eine dritte Gruppe von Videos belegt die angeprangerte Inkompetenz der Politiker*innen. So sind Videos zu sehen, in denen die meisten Politiker*innen unsicher wirken oder offensichtlich falsche Aussagen treffen. Verstärkt wird diese Wirkung durch die Musik, die diesen Videos hinterlegt ist.
Insgesamt dienen die Videoeinblendungen also dem Vermitteln und Erklären von Sachverhalten, der Förderung der Verständlichkeit, dem Aufzeigen von Missständen und Paradoxien, dem Beweisen und Bestärken seiner Argumentation und nicht zuletzt auch dazu, Zuschauer*innen durch Abwechslung, pointierte (z.T. kritikwürdige) Originalaussagen und Unterhaltung zum Weiterschauen zu animieren.
Wie bereits erwähnt, hebt sich ein Video von den anderen ab. Es nimmt nicht den gesamten Bildschirm ein, sondern ist nur links neben Rezo zu sehen. Zudem ist das Video auffallend unscharf. Das begründet Rezo damit, dass das Video zu grausam sei, um es bedenkenlos zu zeigen, denn es zeige die Ermordung von Zivilisten in einem Kriegsgebiet. Dieses Video hat eine Beispielfunktion und erzeugt Aufmerksamkeit gerade dadurch, dass das grausame Geschehen nicht zu erkennen ist. Auch an dieser Stelle orientiert sich das visuelle Design an der Gattung „Nachrichtensendung“, indem Rezo berichtet, was passiert, während er neben dem Video eingeblendet ist.
Weitere Aspekte der eingeblendeten Videos werde im Artikel zu Rezos Performanz genannt. Dabei überschneiden sich Wirkung und Funktion mit dieser Analyse.
Fazit
Die verschiedenen Arten von Einblendungen lassen sich unterschiedlichen Funktionen zuweisen. Mit Schrifteinblendungen gliedert Rezo das Video, was die Rezeption erleichtert. Andere Einblendungen haben hingegen einen Belegcharakter und entsprechen dem von Rezo im Video formulierten Ziel, seine Aussagen „immer ausführlich mit Quellen [zu] belegen und [zu] beweisen". Hinzu kommen Einblendungen, die seine Aussagen veranschaulichen, illustrieren oder auch unterhaltenden Charakter haben. Auffällig ist, dass die Art und Weise, wie die Quellen-Einblendungen erfolgen, eine aufwändige Rezeption erfordert. Denn unterbrechen die Zuschauer*innen das Video zwischenzeitlich nicht, werden sie mit einer Flut von Bildern, Sprache, Text und Videomaterial konfrontiert, die nicht auf eine Spontan-Rezeption ausgelegt sind. Es ist zu vermuten, dass daraus eine Situation der Rezeptionsüberforderung entsteht, die einer kritischen Rezeption und ebenso kritischen Auseinandersetzung mit politischen Fragen prinzipiell entgegenstehen kann. Der Nachvollzug von längeren Textzitaten, eingeblendeten Grafiken und Diagrammen wird vielfach erst durch Anhalten des Videos möglich. Die Richtigkeit und Aktualität der Quellenverwendung kann deshalb erst mithilfe des beigefügten Quellen-Dokuments geprüft werden, sodass die bewusste Rezeption von „Die Zerstörung der CDU.“ weit über ein einfache Videoschauen hinausgeht.
Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob das Groß der Zuschauer*innen überhaupt die Quellen überprüft. Denkbar ist nämlich auch, dass die professionelle Produktion des Videos und die zahlreichen Strategien, durch die Wissenschaftlichkeit suggeriert wird, dazu führen, dass viele Zuschauer*innen die Informationen als richtig akzeptieren und Rezos Wahl-Appell folgen, eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten jedoch ausbleibt – und das, obwohl das Video samt begleitendem Quellen-Dokument dies durchaus ermöglicht.
Belege
Autor*innen
Die Erstfassung dieses Artikels wurde in der Pilotierungsphase des Living Handbooks (2020) in einer anderen digitalen Umgebung erstellt. Die Versionsgeschichte gibt daher nicht die gesamte Entstehung des Artikels wieder und listet auch nicht alle beteiligten Autor*innen als User*innen.
Zitiervorlage: Die Zerstörung der CDU – Einblendungen (2020). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Die Zerstörung der CDU – Einblendungen, zuletzt abgerufen am 21.11.2024.