Vom Klimawandel erzählen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 25. November 2024, 09:25 Uhr
Vom Klimawandel erzählen ist eine der drei zentralen Perspektiven, die im Rahmen von Climate Thinking eingenommen werden.
Octavia E. Butlers Parable of the Sower, Ilija Trojanows EisTau, Dirk C. Flecks Tahiti-Projekt oder Alfonso Cuaróns Children of Men sind nur einige Beispiele, die vom Klimawandel erzählen bzw. die der Diskurs über den Klimawandel hervorgebracht hat. Erzählungen wie diese denken über Fragen der Kultur und Gesellschaft in einer veränderten Welt nach; sie antizipieren gegenwärtige wie zukünftige Problemstellungen und imaginieren deren Lösungen; sie reflektieren das Verhältnis von Mensch, Natur und Technik (siehe: Über Klimawandel nachdenken); sie greifen religiöse und mythische Motive auf und prägen unser Bild davon, wie (und ob) menschliches Leben in einer sich verändernden Welt möglich sein wird. Dabei entstehen auch experimentelle Formen des Erzählens, die den Menschen ausklammern und die Natur als Protagonistin einsetzen, wie das Zitat von Tobias Rausch illustriert.[1] Mit Tornados und Pflanzen auf der Bühne sucht der Autor und Regisseur nach einer spezifischen „Klimaästhetik“.[2] Erzählungen haben somit das Potenzial wirkmächtige Debattenbeiträge zu generieren (siehe: Über Klimawandel sprechen) und zu sinnstiftenden kulturellen Artefakten zu werden. Dystopien und Utopien, apokalyptische Erzählungen und Heldennarrative, Thriller wie Gesellschaftsromane – die Bandbreite der Formen, Stile und Topoi ist groß und entfaltet sich u. a. in der Literatur, in Filmen, Serien, Theaterstücken und Videospielen. Wie wird der Klimawandel in Kunst, Medien und Literatur thematisiert, perspektiviert und ästhetisiert? Wie imaginieren Erzählungen mit dem Klimawandel verbundene Probleme und deren Lösungen? In was für einer Gesellschaft wollen/werden wir leben? Wie imaginiert die utopische/dystopische Literatur Welten, in denen die Folgen des Klimawandels deutlich zutage treten? Welche Funktionen nehmen natur- und geisteswissenschaftliche Diskurse in diesen Erzählungen ein? |
Zentrale Perspektiven und Zugänge
Gattungen und Genres
Jede (literatur- wie kunstwissenschaftliche) Gattung und jedes Genre zeichnet sich durch idealtypische Merkmale aus, die dem Erzählten einen groben formalen Rahmen geben und aufgrund der daran geknüpften Erwartungen die Rezeption „ganz entscheidend mit beeinflussen“.[3] Das Spiel mit Gattungs- und Genregrenzen kann den Fokus der Leserschaft und der Wissenschaft ebenso verändern wie die Proklamation neuer künstlerisch-literarischer Klassifikationen (z.B. das um 2007 benannte Genre „Climate Fiction“).[4]
Narrative, Themen und Motive
Das Herausarbeiten und Sammeln von Narrativen, Themen und Motiven stellt eine zentrale Aufgabe dar, um das Erzählen über den Klimawandel systematisieren zu können. Neben der Analyse bekannterer Szenarien (u.a. Natur-/Umweltkatastrophen, Apokalypsen) gilt es weitere Muster zu eruieren, um die Rolle und die Funktion der Klimakrise in fiktionalen Texten/Medien stärker konturieren zu können. Die Betrachtung von Gegensatzpaaren wie Utopie und Dystopie, lokale vs. globale Perspektiven, Natur als Protagonistin oder „Requisit“[5], der Mensch als Opfer und/oder Täter, sicherer Untergang vs. Rettung durch Technologie[6] eröffnen dabei produktive Zugänge.
Ästhetik und Emotion
Der gemeinsame Nenner von erzählenden Texten/Medien ist die ästhetisch-emotionale Verarbeitung ihrer Inhalte. Mit diesem Merkmal grenzen sich fiktionale Produkte dezidiert vom öffentlichen und/oder faktenbasierten Diskurs über den Klimawandel ab, sie können auf dieser Ebene neue Perspektiven eröffnen, Denkanstöße formulieren und der Abstraktheit der globalen Veränderungen eine kreative Auseinandersetzung entgegensetzen.
Ansätze und Methoden
Um Texte zu analysieren, die Klimawandel, Nachhaltigkeit und damit verbundene hierarchische Relationen aufgreifen, bedarf es speziell auf diese Thematiken zugeschnittener und oft auch für spezifische Kontexte operationalisierter Ansätze und Methoden. Etwa durch ökokritische oder ökofeministische Zugänge wird es möglich, Relationalitäten von Naturalisierung und Sexualisierung aufzudecken und kritisch zu hinterfragen. Einen fruchtbaren Ansatz bieten hier beispielsweise die Plant Studies, die Menschen-Pflanzen-Verhältnisse in den Blick nehmen.
Weiterführendes
Belege
- ↑ Rausch, Tobias im Gespräch mit Nina Branner (2020): Naturkräfte auf die Bühne bringen. In: Goethe Institut Dänemark Online. Online, zuletzt abgerufen am 11.05.2021.
- ↑ Rausch, Tobias im Gespräch mit Nina Branner (2020): Naturkräfte auf die Bühne bringen. In: Goethe Institut Dänemark Online. Online, zuletzt abgerufen am 11.05.2021.
- ↑ Jeßing, Benedikt/Köhnen, Ralph (2017): Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Stuttgart: Metzler, S. 136.
- ↑ Vgl. Goodbody, Axel/Johns-Putra, Adeline (Hg.) (2018): "Introduction", in: Cli-Fi. A Companion, Oxford: Peter Lang Ltd. International Academic Publishers, S. 1.
- ↑ Sieglinde Geisel im Gespräch mit Andrea Gerk (2019): "Der Klimawandel als Randthema in der deutschen Literatur", in: Deutschlandfunk Kultur, vom 09.09.2019. Online, zuletzt abgerufen am 06.05.2021.
- ↑ Vgl. Dürbeck, Gabriele (2018): "Das Anthropozän Erzählen: fünf Narrative", in: APuZ (21-23/2018). Online, zuletzt abgerufen am 06.05.2021.
Autor*innen
Erstfassung: Anna Meywirth am 12.05.2021. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der Diskussionsseite einsehbar.
Zitiervorlage:
Meywirth, Anna (2021): Vom Klimawandel erzählen. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Vom Klimawandel erzählen, zuletzt abgerufen am 27.12.2024.