Ecocriticism

Aus wiki.climate-thinking.de
Version vom 8. Juli 2022, 09:23 Uhr von Admino (Diskussion | Beiträge) (Kategorisiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

In diesem Artikel wird der Grundbegriff Ecocriticism, auch Ökokritik genannt, aus literaturwissenschaftlicher Perspektive thematisiert.

Der Ecocriticism stellt einen Forschungsansatz dar, der Texte der Klimaliteratur analysiert. Er erforscht die Beziehung zwischen Literatur und Umwelt.[1]

In den letzten Jahren sind immer mehr literarische Texte zum Thema Klimawandel verfasst worden. Damit nimmt auch die Anzahl der Literaturwissenschaftler*innen zu, welche die Klimaliteratur analysieren.[2] Zentrale Forscher*innen sind beispielsweise Axel Goodbody, Gabriele Dürbeck oder Adeline Johns-Putra. Aufgrund steigenden Relevanz der Thematik, gewinnt der Ecocriticism an Bedeutung.[3]

Ecocriticism - zwei mögliche Schwerpunktsetzungen

Nach Adeline Johns-Putra existieren innerhalb des Ecocriticism zwei verschiedene Vorgehensweisen: Zum einen können Literaturwissenschaftler*innen eine objektiv-distanziertere Rolle einnehmen. Dabei findet lediglich eine Erforschung, eine Analyse und eine Informationsweitergabe statt.

Zum anderen können Literaturwissenschaftler*innen eine aktive oder sogar aktivistische Rolle einnehmen. Zusätzlich zur passiven Aufklärung übernehmen sie hier eine erzieherische Funktion und sehen in den Szenarien der Literatur das Potenzial, beim Umgang mit den Auswirkungen der Klimakrise zu unterstützen.[4]

Analyseaspekte

Literaturwissenschaftler*innen beziehen bei ihren Forschungen im Rahmen des Ecocriticism unterschiedliche Analyseaspekte mit ein: Themen und Diskurse, Epochen, Genres, Narrative, Ästhetik, rhetorische Formen, Figurenbetrachtungen oder verschiedene Medien.[5]

Im Folgenden wird beispielhaft auf einige Analyseaspekte eingegangen:

Genre:

Durch die zunehmende Auseinandersetzung mit dem Klimawandel sind neue Genres entstanden, die auf Merkmale der bereits existierenden Genres zurückgreifen.[6] Der Klimawandelroman oder der Ökothriller sind Beispiele für neu entstandene Genres im Kontext der Klimaliteratur und des Ecocriticism.[7]

Durch diese literarischen Texte werden durch den Einsatz fiktiver Elemente auf faktischer und emotionaler Ebene der anthropogene Klimawandel, seine Ursachen und seine Auswirkungen verhandelt.[8]

Der Roman EisTau von Ilija Trojanow aus dem Jahr 2011 ist als Beispiel für einen deutschen Klimawandelroman zu nennen.

Literarische Texte des Genres Ökothriller handeln von einem bevorstehenden Weltuntergang, der meist verhindert werden kann. Die Thematik ist durch fiktive Elemente und die Vermittlung von Fakten geprägt. Dadurch werden Hintergründe des Klimawandels und mögliche Handlungen, die dem Klimawandel entgegenwirken, dargestellt.[9]

Der Schwarm von Frank Schätzing aus dem Jahr 2004 ist ein Beispiel für das Genre des Ökothrillers.[10]


Figurenbetrachtung:

Bei dem Analyseaspekt der Figurenbetrachtung werden die spezifische Darstellung, die Funktionen und die Wirkung der Charaktere analysiert. Bei den Charakteren kann es sich beispielsweise um fiktive Figuren und/oder nicht-menschliche Agenzien handeln. Held*innen oder Antiheld*innen können Aspekte der Analyse sein. Bei der Analyse wird die emotionale Ebene zwischen Protagonist*in und Leser*in betrachtet, beispielsweise in welcher Art und Weise die Identifikation des*der Lesers*in mit dem*der Protagonist*in stattfindet.[11]

Entwicklungsstand des Ecocriticism

Der Ecocriticism ist von unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und Entwicklungsgraden in den einzelnen Ländern geprägt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass jedem Land eigene individuelle Ereignisse und Erfahrungen in der Vergangenheit zuzuschreiben sind. In Deutschland hat sich der Ecocriticism beispielsweise eher in die Richtung der Kulturwissenschaften als in die Richtung der Literaturwissenschaften entwickelt.[12][13]

„Insgesamt erweist sich der Ecocriticism als ein vielgestaltiger und überaus fruchtbarer Forschungsansatz, in dem Fragen nach theoretischen Grundlagen ebenso wichtig sind wie nach narrativen Verfahren und Schreibweisen, nach unterschiedlichen, z.T. neu entstehenden Genres und verschiedenen künstlerischen Ausprägungen.“[14]


Konkrete Beispiele/Weiterführendes

Ein konkretes Beispiel für den Ecocriticism ist der Artikel Climate change in literature and literary studies von Adeline Johns-Putra aus dem Jahr 2011. Dieser englischsprachige Artikel ist einer der ersten, der sich systematisch mit der Thematik des Klimawandels auseinandersetzt.

Die erste deutschsprachige Einführung in den Ecocriticism liefert der Sammelband Ecocriticism: Eine Einführung von Gabriele Dürbeck und Urte Stobbe aus dem Jahr 2015.

Cli-Fi: A Companion von Axel Goodbody und Adeline Johns-Putra aus dem Jahr 2019 ist als konkretes Beispiel für einen englischsprachigen Sammelband zum Thema Klimawandel anzuführen.

Belege

  1. Vgl. Dürbeck, Gabriele; Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur - eine Einführung. In: Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur 10(2), S. 1-11. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  2. Vgl. Johns-Putra, Adeline (2016): Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. In: WIREs Climate Change 7(2), S. 266-282. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  3. Vgl. Johns-Putra, Adeline (2016): Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. In: WIREs Climate Change 7(2), S. 266-282. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  4. Johns-Putra, Adeline (2016): Climate change in literature and literary studies: From cli-fi, climate change theater and ecopoetry to ecocriticism and climate change criticism. In: WIREs Climate Change 7(2), S. 266-282. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  5. Vgl. Dürbeck, Gabriele; Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur - eine Einführung. In: Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur 10(2), S. 1-11. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  6. Vgl. Dürbeck, Gabriele (2015): Ökothriller. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 245-257.
  7. Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (2015): Einleitung. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 9-18.
  8. Vgl. Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 233-244.
  9. Vgl. Dürbeck, Gabriele (2015): Ökothriller. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 245-257.
  10. Vgl. Dürbeck, Gabriele (2015): Ökothriller. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 245-257.
  11. Vgl. Dürbeck, Gabriele; Nesselhauf, Jonas (2015): Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur - eine Einführung. In: Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur 10(2), S. 1-11. Online, zuletzt abgerufen am 11.01.2022.
  12. Vgl. Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (2015): Einleitung. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 9-18.
  13. Goodbody, Axel (2015): Ökologisch orientierte Literaturwissenschaft in Deutschland. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 123-135.
  14. Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (2015): Einleitung. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hg.) (Hrsg.): Ecocriticism. Eine Einführung, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, S. 9-18.



Autor*innen

Erstfassung: Hannah Bubenheim am 25.01.2022. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der Diskussionsseite einsehbar.

Zitiervorlage:
Bubenheim, Hannah (2022): Ecocriticism. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Ecocriticism, zuletzt abgerufen am 22.11.2024.