Die Verschleierung der Gewaltbeziehung zwischen Eisbär und Inuit im Dokumentarfilm

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Teil der Reihe
Dokumentarfilme
über den Klimawandel
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Einführung in die Themenreihe
Darstellung von Utopie und
Dystopie in Dokumentarfilmen
Emotionalisierung in Dokumentar-
filmen über den Klimawandel
Gegenseitige Bedrohung von
Eisbär und Mensch
Inszenierung von Wissenschaft
im Dokumentarfilm
Verhältnis von
Mensch und Eisbär
Verschleierung
der Gewaltbeziehung
zwischen Eisbären und Inuit


Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Darstellung des Inuit-Eisbären-Verhältnisses als verschleierte Gewaltbeziehung in den Dokumentarfilmen „Eisbär in Not?“ (2014) und „17.000 Kilometer KANADA (1/2) – Kämpfen, Jagen, Überleben“ (2015).

Konfliktlinien zwischen Eisbären und Inuit im Klimawandel

Der World Wide Fund For Nature (WWF) titelt, dass die momentane Lebensgrundlage der Eisbären durch den Klimawandel sehr bedroht ist. Aufgrund des schmelzenden Packeises verlieren die zweitgrößten Landraubtiere der Arktis ihren Lebensraum, sodass sie nur schwer an ihre Nahrung kommen. Durch die Erderwärmung und dem damit verbundenen raschen Rückzug des Eises, sind die Eisbären dem WWF nach gezwungen, sich auf das Festland zu begeben. Da auch die Nahrung auf dem Festland nur schwer zu finden ist, stoßen die Eisbären zunehmend auf den Lebensraum der Einwohner*innen (Inuit). Weiterhin weist der WWF darauf hin, dass die Eisbären in Mülltonnen der Inuit nach Nahrung suchen und sich so immer mehr Wohnhäusern nähern, was zu Besorgnis auf Seiten der Einwohner*innen führt. Zugleich sehen diese den Eisbären jedoch auch als nützliches Lebewesen an, da sie durch die Jagd nach ihm Fleisch und Kleidung für ihre Familien erhalten können.[1] So entsteht ein gegenseitiger Interessenskonflikt bezüglich dem Erhalt der Population der vom Aussterben bedrohten Eisbären und dessen traditionelle Jagd.

Eisbärfell zum Trocknen aufgespannt


Inwiefern die Dokumentarfilme „Eisbär in Not?“ (2014) und „17.000 Kilometer KANADA (1/2) – Kämpfen, Jagen, Überleben“ (2015) diese Interessenskonflikte thematisieren, soll in diesem Artikel gezeigt werden. Dabei wird das Mensch-Eisbär-Verhältnis aus verschiedenen Sichtweisen unter dem Aspekt der Gewaltbeziehung analysiert. Gewaltbeziehung beschreibt in diesem Kontext die Brutalität und Gewaltsamkeit, welche von den Eisbären und den Inuit gegeneinander ausgeübt und im Dokumentarfilm dargestellt wird. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Sprecher im Off, welcher die Darstellung des Eisbären maßgeblich beeinflusst.

Zum Aspekt der Gewalt und verschleierten Gewalt im Dokumentarfilm

Der Begriff Gewalt bezeichnet laut dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache eine Art der Macht und Befugnis, über jemanden oder etwas zu bestimmen.[2] Dies impliziert die Macht, etwas zu beherrschen und etwas in der Gewalt besitzen. Zudem bezeichnet der Begriff die Willkür, unter dem Aspekt von unrechtmäßigem Vorgehen unter Ausnutzung einer Machtstellung (Zwang). Außerdem kann Gewalt in Form von roher, körperlicher Kraft auf jemanden oder etwas ausgeübt werden. Als gehobener Begriff kann Gewalt auch Stärke und besondere Kraft ausdrücken. Verschleierte Gewalt bedeutet in diesem Zusammenhang, die intendierte Gewalt im Dokumentarfilm so zu darzustellen, dass die wahren Intentionen (der Gewalt) nur schwer zu erkennen sind. Dies kann in Form von verwirrender und mehrdeutiger Off-Kommentare und/oder im Rahmen visueller bzw. anderer auditiver Modalitäten geschehen.

Methodisches Vorgehen

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit dem im Dokumentarfilm dargestellten Verhältnis von Eisbären und Inuit als Gewaltbeziehung. Hierzu werden exemplarisch prägnante Sequenzen darauf hin untersucht, wie das Verhältnis zwischen Eisbären und Inuit unter Einbezug unterschiedlicher Modalitäten inszeniert ist. Die Analyse erfolgt auf Basis eines multimodalen Transkriptes, das visuelle und auditive Elemente gleichermaßen berücksichtigt.

Dokumentarfilm 1: „Eisbär in Not?“ (2014)

Im Folgenden werden die Sequenzen von Minute 06:21 bis 07:50 sowie Minute 12:48 bis 13:21 unter dem multimodalen Aspekt der Gewaltbeziehung im Dokumentarfilm „Eisbär in Not?“ (2014) untersucht. Die erste Szene zeigt dabei die Jagd der Inuit als kulturelle Tradition. In der zweiten Szene geht es um die Sicht der Inuit auf die Eisbärenjagd. Für eine bessere Übersichtlichkeit ist die erste Sequenz dafür in drei Szenen unterteilt. Die multimodale Transkription als Basis für die folgende Sequenzanalyse ist unter diesem Hyperlink verfügbar.


Analyse der Sequenz 06:21–07:50

Szene 06:21–06:34

Traditionelle Eisbärenjagd

Die erste Szene (06:21–06:34) handelt von den Einwohner*innen der Inuit. Es wird dargestellt, dass die Inuit seit Jahrhunderten Eisbären jagen und diese Tradition schon sehr lange in der Kultur verankert ist um die Familie mit Kleidung und Fleisch des Eisbären zu versorgen. Der Sprechtext wird dabei durch eine männliche, monotone Sprechstimme aus dem Off realisiert. Auffällig an der Sprache des Offs ist, dass sie sehr sachlich und nicht bewertend klingt. So entsteht der Eindruck, dass sich die Rezipierenden selbst ein Bild von der dargestellten Situation machen können.

Zum Sprechtext werden Fotografien der Eisbärenjagd aus der Geschichte des Stammes der Inuit gezeigt. Die starken Kontraste in den schwarz-weißen Fotos unterstreichen die Aggressivität, welche in den abgebildeten Motiven liegt, insbesondere wenn das Bild eines erlegten Eisbären mit vier tödlichen Pfeilen im Körper dargestellt wird. Das eingespielte Foto zeigt zunächst in einer Halbtotalen[3] einen bewaffneten Inuit, welcher nicht nur tödliche Werkzeuge sondern auch das Fell eines Eisbären trägt. Durch den Zoom auf den unter ihm liegenden Eisbären wird das Machtverhältnis verdeutlicht. Diese Grafik impliziert demnach eine „Macht“ der Inuit gegenüber den „wehrlosen“ Eisbären als Unterlegene.

Während diese Fotos zu sehen sind, klingt der Off-Sprecher auffallend sachlich und verwendet eine neutrale und nicht wertende Sprache. Er legitimiert die in den Fotos dargestellte traditionelle Eisbärenjagd durch die auf diese Weise induzierte neutrale Sichtweise, wobei die gezeigten Bilder deutlich brutaler wirken als das Gesprochene. Es liegt also eine Text-Bild Schere vor.[4]

Szene 06:35–06:55

Auch die nächste Sequenz (06:35–06:55) stellt die Gewaltbeziehung ausgehend von den Inuit multimodal dar. In der Szene ist ein Inuit zu sehen, welcher auf seinem Quad bewaffnet und mit Fell bekleidet auf die Jagd fährt. Die eingespielte Musik[5] wirkt bedrohlich und beängstigend. Der Sprechtext erfolgt wiederum aus dem Off, wobei typische Wortfelder in Bezug zum Jagen verwendet werden (u.a. „Waffen“, „Schießen“, „wie die meisten Männer“). Dies vertieft eine aggressive Grundstimmung, die durch Wind-Geräusche und den Quad Auspuff (als Zeichen „jetzt geht es los“) auf dem Weg zur Jagd weiter verstärkt wird. Auch der Zoom auf die Waffen sowie Farbkontraste[6] unterstreichen diese Stimmung.

Szene 06:55–07:53

Die anschließende Sequenz (06:55–07:53) wird im prototypischen Dialog von Off und On-Sprecher (Inuit) dynamisiert. Der Inuit hebt die Eisbärenjagt als ein „einmaliges Erlebnis“ hervor und bedauert die begrenzte Anzahl der zu schießenden Tiere. Da die Bilder aus der Szene kurz zuvor Bilder von einem erlegten Eisbären mit vier Pfeilen im Körper gezeigt haben, entsteht ein kritischer Eindruck dieser Aussage. Auffällig ist hierbei, dass sich der Sprechtext aus dem Off zwar auf die Aussage des Inuit bezieht. Durch die passiven Satzkonstruktionen wie „[die Jagd-Quote] soll den Bestand schützen“ wird aber keine Positionierung oder Kritik des Sprechers erkennbar, sodass die Aussagen des Inuit als legitimiert erscheinen.

Visuell auffällig ist weiterhin der Moment, in dem der Jäger die rückläufigen Zahlen an Eisbären abstreitet. Denn parallel zu dessen Äußerungen wird ein Eisbär auf braunem, freigeschmolzenen Untergrund gezeigt. Hierbei wird also visuell die Frage aufgeworfen, ob der Klimawandel negative Konsequenzen für die Population der Eisbären hat, ganz im Gegensatz zu der vorherigen Aussage des Inuit. Davon abgesehen betont der Dokumentarfilm aber die Wichtigkeit des Jagens für das Überleben der Einwohner*innen, bevor kurz danach Fotos der Ebbe auf dem Jagdgebiet gezeigt werden. Die Ebbe impliziert dabei eine gewisse Leere und Trauer, wodurch Mitgefühl für die Inuit geweckt wird.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass in dieser ersten Szene eine Gewaltbeziehung zwischen Inuit und Eisbären dargestellt ist, die von den Inuit ausgeht und diese dadurch legitimiert wird, dass die Inuit die Eisbärenjagd zum Überleben brauchen und es angeblich immer mehr Eisbären gibt, die es zu schießen gilt. Allein durch die visuellen Darstellungen der Folgen des Klimawandels wird dies jedoch in Frage gestellt. Der Off-Kommentar bleibt allerdings neutral und trägt so zur Plausibilisierung der Position des Inuit bei.

Analyse der Sequenz 12:48–13:18

In der zweiten Szene (12:48–13:18) wird der jagende Inuit mit der Waffe auf den Rücken in den einsamen Bergen gezeigt. Dabei flieht der Eisbär in einem schnellen Tempo auf freigeschmolzenem Untergrund. Der Jäger postuliert in diesem Zusammenhang im On, dass die Eisbären gesund seien und er gerne mehr von ihnen sehen würde. Durch die traurige Musik im Hintergrund, welche die Einspielung des fliehenden Eisbären begleitet, wirkt diese Aussage jedoch in einen bestimmten Kontext gerückt: Der Jäger will mehr Eisbären sehen, um sie zu erschießen. Gesund sollen sie sein, damit sie ihm mehr einbringen. Durch die Tempovariation des langsam gehenden Jägers und dem rennenden Eisbären wirkt die Sequenz wie ein Fluchtspiel. Dadurch entsteht eine Dynamik, die sich zugunsten des Eisbären auswirkt.

Der Off-Kommentar untermauert auf der einen Seite die Aussage des Jägers, indem er erklärt, dass mit einem geschossenen Eisbären die Versorgung einer Gemeinde sichergestellt ist. Auch hier sind das Sprechertempo und die Betonung sehr neutral, sachlich und nicht wertend. Auf der anderen Seite ist auffällig, welche Metapher der Off-Sprecher nutzt: „Trophäenjäger“. Diese ist negativ konnotiert und kritisiert dadurch den jagenden Inuit. Auch das „lukrative Geschäft“ mit den Eisbären als pure Objekte und der „tödliche“ Schuss sind negativ behaftet. Die Windgeräusche und die Nahaufgabe des in die Leere starrenden Inuit mit der Waffe auf dem Rücken in den Bergen deuten darauf hin, dass die Jagd auf die Eisbären „zurecht“ scheitert. Da die Bilder keine tödlichen Schüsse oder einen erlegten Eisbären zeigen, wird die Gewaltbeziehung in diesem Fall erst über den Off-Sprecher verdeutlicht.

Zusammengefasst berichtet der Off-Sprecher immer aus Sicht der Inuit und legitimiert damit implizit die Jagd auf die Eisbären. Allerdings finden sich auch einzelne sprachliche Mittel (z.B. negativ konnotierte Metaphern und Begriffe), durch welche die neutrale Positionierung bricht. Auch durch die Verwendung visueller Mittel entsteht mit Blick auf die Eisbärenjagd ein negativer Eindruck. So wirkt der Off-Sprecher an der Oberfläche zwar neutral, multimodal finden sich aber mehrere Hinweise darauf, die an den guten Ansichten des Inuit zweifeln lassen.

Das Mensch-Eisbär-Verhältnis in „Eisbär in Not?“ (2014) ist demnach von einer Gewalt geprägt, die von den Inuit ausgeht. Der Dokumentarfilm stellt den Inuit dabei als eine zusätzliche Bedrohung des bereits durch den Klimawandel bedrohten Eisbären dar.

Dokumentarfilm 2: „17.000 Kilometer KANADA (1/2) – Kämpfen, Jagen, Überleben“ (2015)

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Auch in dem Film „17.000 Kilometer KANADA (1/2) – Kämpfen, Jagen, Überleben“ (2015) wird das Inuit-Eisbär-Verhältnis multimodal inszeniert. Der Gewaltaspekt erfährt dabei eine Art Verschleierung. Insbesondere ein On-Sprecher und dessen synchrone Übersetzung aus dem Off tragen dabei maßgeblich zu einer negativen Perspektivierung der Inuit zur Eisbärenjagt bei. In der ersten Sequenz (22:26–23:20) geht es um die Einstellung der Einwohner*innen und des Bürgermeisters gegenüber der Eisbärenjagd, welche in der zweiten Szene (23:51–24:33) durch den Bürgermeister noch einmal verdeutlicht wird. Hierbei werden die visuellen und auditiven Modalitäten unterschiedlich gewichtet. Die multimodale Transkription als Basis für die folgende Sequenzanalyse ist unter diesem Hyperlink verfügbar.

Analyse der Sequenz 22:26–23:20

In der ersten Sequenz (22:26–23:20) wird ein Dialog zwischen dem Reporter und einem Einwohner gezeigt. Der interviewte Einwohner rät dazu, zunächst mit dem Bürgermeister dieser Kleinstadt über die Eisbärenjagd zu sprechen („sollten besser mit dem Bürgermeister reden“). Das Modalverb sollten deutet darauf hin, dass es einen besonderen Grund gibt, wieso er nicht mit dem Reporter über das Thema der Eisbärenjagd reden kann. Die Passivkonstruktion des kommentierenden Off-Sprechers „Leute seien misstrauisch gegenüber Leuten mit Kamera“ weist in dieselbe Richtung, ohne zur Klärung beizutragen, warum es so ist.

Die Person des Bürgermeisters wird anschließend zwar vom Off-Sprecher als einer der besten Jäger im „Arktischen Norden“ bezeichnet, allerdings nur im Konjunktiv („Es heißt er sei der beste Jäger“ [...] „Charly meint wir sollen uns selbst ein Bild machen“). Durch diese Abschwächung entsteht der Eindruck, dass nur die Einwohner*innen diese Meinung teilen würden. Auch durch die Äußerung „Er legt gleich los“ (seine Einstellung gegenüber der Eisbärenjagd darzulegen) zeichnet der Off-Sprecher ein eher negatives Bild.

Der On-Kommentar des Bürgermeisters wird von einem Off-Sprecher übersetzt, der nicht mit dem eigentlichen Off-Sprecher identisch ist. Dessen Stimme ist im Gegensatz zu „Eisbär in Not?“ nicht monoton, sondern unterstützt durch eine spezifische Intonation die abschätzigen Aussagen des Bürgermeisters („Ihr glaubt auch jeden Mist […]“; „Ihr glaubt trotzdem […]“; „Ihr Europäer glaubt echt alles“).

Auch die Tonlage der Stimme ist im Gegensatz zu der vorherigen um einiges tiefer und wirkt durchdringender. So wird die spezifische Intonation deutlicher und auch die gezielten Sprechpausen des Off-Sprechers zielen auf ein eher negatives Bild des Inuit auf die Eisbärenjagd. Diese Wirkung wird wiederum durch das Auspuffgeräusch eins Quads im Hintergrund sowie das Heulen der in Ketten gelegten Hunde unterstützt.

Visuell auffällig sind bei der Sequenz die starken Farbkontraste. Zunächst werden Fotos des interviewenden Reporters mit dem Einwohner auf freigeschmolzenen Untergrund gezeigt. Die Stimmung erscheint zu diesem Zeitpunkt sehr locker und entspannt. Sobald jedoch der Bürgermeister ins Bild kommt, wirkt die weite, weiße Schneelandschaft als eine Art Bühne, auf welcher der „beste Jäger im Arktischen Norden“ seine Sicht der Eisbärenjagd darstellt. Der schnelle Farbwechsel von schwarzer zu weißer Landschaft unterstützt die Präsentation des Bürgermeisters. Das anschließende Interview erfolgt dabei im Wechsel zwischen fleischfressenden Hunden und dem Inuit. Durch dieses Wechselspiel wirken die Fotos des fleischfressenden, in Ketten gelegten Hundes und dem Inuit in gewisser Weise emotionalisierend, da sie ein beunruhigendes und sehr hektisches Bild aufwerfen.[7]

Zusammengefasst wird hierbei ein Inuit dargestellt, welcher die Jagd auf Eisbären legitimiert. Diese Aussagen werden vom Off-Sprecher in der Übersetzung zwar unkommentiert begleitet, die Intonation der Übersetzung, die sprachliche Gestaltung der Off-Kommentare sowie die gezeigten Bilder der freigeschmolzenen Landschaft stellen den Bürgermeister und damit auch seine Aussagen in ein schlechtes Licht. So wirkt der Off-Sprecher indirekt an dieser Wirkung mit, ohne die Aussagen des Inuit inhaltlich zu verändern oder seine Aussagen explizit zu kritisieren.

Sequenzanalyse Szene 23:51–24:33

Die zweite Sequenz (23:51–24:33) weist große Parallelen zur ersten Sequenz auf. Die Szene zeigt einen Inuit als On-Sprecher, welcher im Off übersetzt wird. Auch hier werden die negativen Aussagen („[...] und ihr glaubt ihnen (Greenpeace) und erlasst Quoten und Verbote“) mittels Betonung besonders negativ von der dunkleren Stimme des Offs pointiert. Zwar legitimiert der Sprecher in indirekter Art und Weise die Aussagen des Inuit, indem er keine direkte Beurteilung dessen vornimmt. Doch auch hier greift der Off-Sprecher außerhalb der unmittelbaren Übersetzung auf Passiv- und Konjunktiv-Konstruktionen zurück, sodass der Eindruck aufkommt, dass die Aussagen des Bürgermeisters über Greenpeace und die Jagd auf die Eisbären nicht stimmen könnten.

Abschließende Beurteilung der Analyseergebnisse

Zusammengefasst kann anhand der exemplarisch ausgewählten Sequenzen gesagt werden, dass beide Dokumentarfilme das Eisbär-Inuit-Verhältnis als gewaltsam darstellen. Dabei steht die Perspektive der Inuit bei den Sequenzen im Zentrum. Zudem wird in beiden Dokumentarfilmen gezeigt, dass die Inuit versuchen die Gewaltbeziehung zu legitimieren. Diese Aspekte werden dabei maßgeblich durch die Intonation der Übersetzung, die sprachliche Gestaltung der Off-Kommentare sowie die visuelle Gestaltung konstituiert. In der Analyse beider Filme wurde somit deutlich, dass die Einstellung der Inuit gegenüber der Eisbärenjagd hinterfragenswert ist. In der ersten Dokumentation „Eisbär in Not?“ (2014) wurde so eine Differenz zwischen den gezeigten Bildern und gesprochenem Off-Kommentar deutlich und für die zweite Dokumentation „17.000 Kilometer KANADA (1/2) – Kämpfen, Jagen, Überleben“ (2015) konnte ein Kontrast zwischen dem Gesagtem und visuell Gezeigten dargestellt werden. Abschließend ist zu sagen, dass der Inuit durch die multimodale Darstellung in beiden Filmen als eine Bedrohung für den gejagten Eisbären angesehen werden kann. Somit ist der Eisbär nicht nur durch den Klimawandel bedroht, sondern gerät zusätzlich in Konflikt mit den Menschen.

Belege

  1. WWF (2021): Eisbär: Seine Zukunft liegt auf dünnem Eis. In: WWF.at. Online, zuletzt abgerufen am 11.08.2021.
  2. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (o. J.): Lemma Gewalt. In: dwds.de. Online, zuletzt abgerufen am 11.08.2021.
  3. Faulstich, Werner (2013): Grundkurs Filmanalyse. Paderbron: Wilhelm Fink, S. Y.
  4. Wember, Bernward (1976): Wie informiert das Fernsehen. Ein Indizienbeweis. München: Schüren, S. Y.
  5. Faulstich, Werner (2013): Grundkurs Filmanalyse. Paderbron: Wilhelm Fink, S. Y.
  6. Faulstich, Werner (2013): Grundkurs Filmanalyse. Paderbron: Wilhelm Fink, S. Y.
  7. Keutzer, Oliver; Lauritz, Sebastian; Mehlinger, Claudia; Moormann, Peter (2014): Filmanalyse. Wiesbaden: Springer, S. Y.



Autor*innen

Erstfassung: Isabella Möller am 30.07.2021. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der Diskussionsseite einsehbar.

Zitiervorlage:
Möller, Isabella (2021): Die Verschleierung der Gewaltbeziehung zwischen Eisbär und Inuit im Dokumentarfilm. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Die Verschleierung der Gewaltbeziehung zwischen Eisbär und Inuit im Dokumentarfilm, zuletzt abgerufen am 21.11.2024.